Zukunftsherausforderungen für geförderte Bildungsunternehmen

Zukunftsherausforderungen für geförderte Bildungsunternehmen

Die deutsche Wirtschaft wächst, Fachkräfte werden immer stärker gesucht und die Zahl der Arbeitslosen geht stetig zurück. Was für Regierung und deutsche Bürger nach einer Erfolgsgeschichte klingt, ist eine echte Herausforderung für eine ganze Branche, denn die geförderten Bildungsunternehmen stehen vor einem radikalen Wandel und es ist nicht sicher, wer diese Veränderung tatsächlich überstehen wird.

Die Arbeitsmarktsituation

Die offizielle Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit spricht eine deutliche Sprache. Seit Einführung der Hartz IV-Reform im Jahr 2005 ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland deutlich gesunken und erreichte zum Halbjahr 2011 mit 2,8 Mio. Arbeitslosen einen Tiefstand (Arbeitslosenquote 6,9%). Parallel dazu ist das Angebot an Arbeitsstellen im Pool der Arbeitsagentur konsequent angestiegen und lag per Juni 2011 bei einem Bestand von rund 480.000 unbesetzten Stellen.

Die gute Konjunktur und der weitere Rückgang des Erwerbspersonenpotentials (bedingt durch den demografischen Wandel) lassen einen weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit erwarten. Eine Zukunftsprognose des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) hält eine Arbeitslosenquote von unter 5% im Jahr 2015 und von unter 3% für das Jahr 2019 für möglich. Auch wenn diese offiziellen Zahlen nicht die sog. „versteckten Arbeitslosen bzw. Personen in Unterbeschäftigung“ (Personen in Weiterbildung, Arbeitsgelegenheiten, Vorruhestand, Altersteilzeit usw.) enthalten, zeigt der Gesamttrend ebenfalls einen deutlichen Rückgang der tatsächlich arbeitslosen Personen.

Die geförderten Bildungsunternehmen

Geförderte Bildungsunternehmen (oft auch als Bildungsträger bezeichnet) sind Partner der Arbeitsagenturen bzw. JobCenter und betreuen Arbeitssuchende bei ihrem Wiedereinstieg in den Beruf. Die Ziele dieser Betreuung sind vielfältig, können jedoch kurz zusammengefasst werden als Aktivierung – Qualifizierung – Integration in den Beruf. Mindestens eines dieser Grundziele sollte bei der Betreuung durch einen Bildungsträger stets im Vordergrund der Arbeit stehen. Die öffentlichen Mittel, die solche Bildungsunternehmen in der Mehrzahl nutzen, können grob in die zwei Kategorien, individuelle Förderung und Ausschreibungsförderung, eingeteilt werden.

Die individuelle Förderung folgt dem Förderinstrument des Bildungsgutscheins. Der Bildungsgutschein ist eine Bildungsfinanzierung, mit der Arbeitssuchende eine zertifizierte Bildungsmaßnahme besuchen können. Die Ausstellung dieses Bildungsgutscheins wird individuell zwischen Arbeitsvermittler und betreuter Person vereinbart. Im Vordergrund stehen stets die verbesserten Chancen der Berufsaufnahme nach Qualifizierung. Der Bildungsgutschein darf in Unternehmen eingelöst werden, die über ein Qualitätsmanagement verfügen und deren Bildungsmaßnahmen  nach der AZWV (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung Weiterbildung) zertifiziert sind. Diese Zertifizierung ist ein anerkannter Standard in der Branche und wird von neutralen Zertifizierungsunternehmen erteilt. Die Zertifizierung jeder Bildungsmaßnahme hat zum Ziel einen Maßnahmenpreis zu ermitteln, der sich im Rahmen des Bundesdurchschnitts befinden muss. Der Bildungssuchende hat mit dem Bildungsgutschein die freie Wahl des Bildungsanbieters, sofern dieser die Zertifizierungsnotwendigkeiten erfüllt.

Demgegenüber existieren Maßnahmen, die ausgeschrieben werden und meist die Betreuung einer festgelegten Teilnehmerzahl umfassen, wie zum Beispiel Bewerbungsmaßnahmen, Maßnahmen der Berufsvorbereitung, Maßnahmen der Integration in den Arbeitsmarkt. Diese Maßnahmen werden oft durch regionale Einkaufszentren ausgeschrieben worauf sich zertifizierte Bildungsträger im Rahmen einer Konzepteinreichung bewerben können. Der Unterschied zum Bildungsgutschein ist neben dem geringeren Preis je Teilnehmer bzw. betreuter Stunde auch der Wegfall der Teilnehmerakquise. Maßnahmen werden stets über eine festgelegte Teilnehmerzahl  ausgeschrieben, die nach dem Gewinn der Ausschreibung zum Bildungsanbieter geschickt werden muss.

Derzeitige und zukünftige Herausforderungen geförderter Bildungsunternehmen

Viele geförderte Bildungsanbieter haben derzeit große Probleme bei der Umsetzung des bestehenden Geschäftsmodells, was die folgenden Hauptgründe hat:

Abhängigkeit von wenigen Kunden

Die Bildungsträger erzielen oftmals Ihren Umsatz zu 80%-100% mit lediglich zwei Kunden bzw. Auftraggebern – der Arbeitsagentur bzw. dem JobCenter-. Was sich in vergangenen Jahren als stabile Säule darstellte, wird mehr und mehr zu einer einseitigen Abhängigkeitsposition, denn der Auftraggeber hat eindeutig das Sagen. Einseitig deshalb, weil sich Bildungsträger so ziemlich allen Vorgaben beugen müssen, um im Geschäft zu bleiben und doch nie wissen, was die Zukunft bringt. Zu den Unsicherheitsfaktoren zählen neben den stets möglichen Sparmaßnahmen, immer höhere Anforderungen an das eigene Personal und ein immer intensiveres Berichtswesen.

Teilnehmerakquise und Wirtschaftlichkeit der Durchführung

Das Geschäftsmodell, die Betreuung und Qualifizierung von Arbeitssuchenden, funktioniert bei den geringen Maßnahmepreisen nur als Massengeschäft. Die Maßnahmepreise für Bildungsgutscheine sind auf Gruppenstärken von 15 Teilnehmern kalkuliert, die derzeit nur mit großen Anstrengungen gefunden werden können. Der stabile Konjunkturanstieg führt zum Absinken des Arbeitslosenpotentials, so dass der Wettbewerb um die Bildungssuchenden intensiver wird und die Bildungsunternehmen Ihre Marketingaufwendungen immens erhöhen müssen, um eine wirtschaftliche Kursdurchführung zu gewährleisten. Darüber hinaus beschäftigen sich die Arbeitsvermittler in den öffentlichen Institutionen immer intensiver mit Ihren betreuten Klienten und wägen sehr genau ab, ob die Qualifizierung wirklich notwendig ist oder eine Integration in Arbeit auch ohne Bildungsfinanzierung kurzfristig möglich ist, was zu einer Ablehnung der Weiterbildung führen kann.

Fehlende individuelle Marktpositionierung

Die Suche nach mehr Bildungsteilnehmern aus dem SGB-Bereich führt dazu, dass sich die Bildungsunternehmen an den Berufen orientieren, die vom Markt gesucht werden. Dies ist prinzipiell richtig, führt aber dazu, dass mehr und mehr Berufsbranchen in das Weiterbildungsportfolio aufgenommen werden, die oftmals nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens gehören. Die Bildungsträger entwickeln damit ein breites, unspezifisches Kursangebot (bzw. einen Bauchladen, der vom EDV-Kurs über den Sprachkurs bis zum Gabelstaplerschein und Pflegebasiskurs alles anbietet). Was im geförderten Massenmarkt durchaus erfolgreich sein kann, erweist sich im Geschäft mit neuen Zielgruppen, wie Unternehmen und Privatzahlern als schwierig. Die fehlende Marktposition und das oftmals vergleichbare Angebot sprechen Unternehmen nur selten an, so dass das Geschäft mit alternativen Umsatzquellen nur schleppend läuft.

Veränderungsprobleme und Durchsetzungskraft

Viele Bildungsunternehmen suchen verzweifelt alternative Umsatzträger (Unternehmen, Privatpersonen, neue Dienstleistungen) und wünschen sich eine Reduzierung der Abhängigkeit von Arbeitsagenturen bzw. JobCentern. Die Umsetzung erfolgt jedoch oftmals nicht mit dem notwendigen Veränderungswillen und meist ohne klare strategische (Neu)-ausrichtung. Dies führt dazu, dass neue Ansätze meist auf kleiner Flamme halbherzig begonnen und so kurzfristig geplant werden, dass sich kein nennenswerter Erfolg einstellen kann. Darüber hinaus werden strategische Hausaufgaben vor dem Start neuer Geschäftsaktivitäten verpasst, so dass Zielgruppen unklar sind, der Außenauftritt die neue Ausrichtung nicht repräsentiert oder die eigenen Mitarbeiter nicht in den Veränderungsprozess einbezogen werden.

Zusammenfassung

Geförderte Bildungsanbieter müssen derzeit die Zukunftsfähigkeit des eigenen Geschäftsmodells ehrlich hinterfragen.

Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wird das Erwerbspersonenpotential deutlich abnehmen und immer mehr Personen aus der Arbeitslosigkeit am Markt direkt eingestellt. Die geförderten Bildungsunternehmen sollten davor nicht die Augen verschließen, denn wenn das Arbeitslosenpotential weiter abnimmt, werden auch immer mehr Bildungsanbieter vom Markt verschwinden, die ausschließlich von der öffentlichen Hand leben. Die Etablierung alternativer Umsatzquellen ist ein langfristiger Veränderungsprozess des gesamten Unternehmens, der aktiv geführt und strategisch zu planen ist.

Autor/in: Robert Fischer
Veröffentlicht am 14. November 2011

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