Kündigung – gerechtfertigt oder nicht?

Kündigung – gerechtfertigt oder nicht?

Ob eine Kündigung gerechtfertigt ist oder nicht, ist keine Frage der persönlichen Einschätzung, sondern unterliegt gesetzlichen Regeln. Arbeitgeber können ihren Angestellten nicht willkürlich kündigen. Sie müssen sich an bestimmte Vorgaben der Kündigung halten und gegebenenfalls rechtfertigende Gründe nachweisen.


Das Kündigungsrecht ist in Deutschland sehr komplex. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssen verschiedene gesetzliche Regelungen beachten, wenn sie ein Arbeitsverhältnis auflösen wollen. BildungsXperten hat die Expertin für Arbeitsrecht Rechtsanwältin Astrid Kreuzer zu den rechtlichen Regelungen befragt.

Interview mit der Rechtsanwältin Astrid Kreuzer

Guten Tag Frau Kreuzer, eine Kündigung bedeutet häufig eine persönliche Kränkung. Viele Menschen empfinden eine Kündigung daher grundsätzlich als ungerechtfertigt. Aber der Arbeitgeber muss ja bestimmte gesetzlich geregelte Vorgaben bei der Kündigung einhalten. Welche sind das zum Beispiel?

Astrid Kreuzer: Eine Kündigung ist zunächst nur dann wirksam, wenn sie schriftlich erteilt wird. Der betreffende Mitarbeiter muss das Originaldokument erhalten. Dieses muss zudem von einer Person unterschrieben worden sein, die auch zum Ausspruch einer Kündigung berechtigt ist. Kündigungsgründe muss der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung nicht nennen. Dem gekündigten Arbeitnehmer steht jedoch ein Auskunftsanspruch hierüber zu.

Im Interview

Rechtsanwältin Astrid Kreuzer, Habermann & Partner Rechtsanwälte GbR

Darüber hinaus gilt es, zwischen der außerordentlichen und der ordentlichen Kündigung zu unterscheiden:

Die außerordentliche (in der Regel fristlose) Kündigung bedarf eines sogenannten „wichtigen Grundes“, um wirksam zu sein. Dieser Grund macht es dem Kündigenden unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen. Hierbei muss der Arbeitgeber beispielsweise bestimmte Fristen beachten und – sofern vorhanden – den Betriebsrat rechtzeitig anhören.

Die Anforderungen an eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber richten sich auch nach der Betriebsgröße. Zweck des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist es, Arbeitnehmer vor einer ungerechtfertigten Kündigung zu schützen. Dieser besondere Schutz gilt jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer schon länger als 6 Monate im Betrieb beschäftigt ist. Außerdem muss der Betrieb eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Anzahl von Arbeitnehmern beschäftigen, damit das Kündigungsschutzgesetz überhaupt Anwendung findet. Arbeitnehmer, die in sogenannten Kleinstbetrieben arbeiten, werden nicht besonders geschützt. Hier kann eine Kündigung auch ohne einen rechtfertigenden Grund ausgesprochen werden. Doch auch in Kleinstbetrieben gibt es Möglichkeiten, gegen die Kündigung vorzugehen. So können Arbeitnehmer je nach vorliegendem Fall beispielsweise einen Verstoß gegen Treu und Glauben beanstanden.

Welche Voraussetzungen müssen denn im Besonderen für eine ordentliche Kündigung vorliegen, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet?

Astrid Kreuzer: Die betriebsbedingte Kündigung setzt zu ihrer Wirksamkeit voraus, dass dringende betriebliche Gründe eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich machen. Diese basieren auf einer unternehmerischen Entscheidung, beispielsweise, wenn die Auftragslage stark zurückgeht, der Betrieb stillgelegt oder rationalisiert wird. Bei der betriebsbedingten Kündigung muss das Unternehmen grundsätzlich eine Sozialauswahl durchführen. Diese ermittelt, welcher der in Betracht kommenden vergleichbaren Mitarbeiter am wenigsten schützenswert und daher kündbar ist.

Eine Kündigung kann zudem personenbedingt gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich festgelegte Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Arbeitnehmer seinen Führerschein verliert, in Haft kommt oder wegen einer Erkrankung dauerhaft arbeitsunfähig ist.

Eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ist gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Pflichten so verletzt, dass der Leistungs- oder Vertrauensbereich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gestört ist. Solche Pflichtverletzungen können etwa vorliegen, wenn der Arbeitnehmer wiederholt zu spät kommt, unentschuldigt fehlt, seine Nachweispflichten bei Dienstverhinderung verletzt, oder gegen ein Verbot der privaten Internetnutzung verstößt. In der Regel muss einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung der Ausspruch einer oder sogar mehrerer Abmahnungen vorausgehen.

Bei einer ordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitteilen und ihn anhören. Eine Kündigung, die ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ausgesprochen wird, ist unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist gesetzlich geregelt. Demnach kann der Betriebsrat bei bestimmten Gründen auch innerhalb einer Woche Widerspruch gegen eine Kündigung erheben. Dieses Recht kommt beispielsweise zum Tragen, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder Unterhaltspflichten nicht berücksichtigt. Dann gilt die Kündigung als sozial ungerechtfertigt und unwirksam.

Was muss ich bei einer ungerechtfertigten Kündigung beachten? Sind zum Beispiel bestimmte Fristen einzuhalten, um gegen die Kündigung vorgehen zu können?

Astrid Kreuzer: Möchte ein Arbeitnehmer sich gegen eine ungerechtfertigte Kündigung wehren, muss er binnen der gesetzlichen Dreiwochenfrist Klage vor dem Arbeitsgericht erheben. Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über mögliche Beendigungsmodalitäten können parallel außergerichtlich oder im gerichtlichen Verfahren geführt werden. Darüber hinaus muss sich der gekündigte Arbeitnehmer unverzüglich bei der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden. Nur so kann er sozialrechtliche Nachteile wegen Verletzung seiner Meldepflichten vermeiden.

Muss ich denn direkt zum Anwalt gehen oder kann ich mich auch an den Betriebsrat wenden, wenn ich die Kündigung als ungerechtfertigt empfinde?

Astrid Kreuzer: Das Kündigungsschutzgesetz schreibt für jede Art der Kündigung zwingend eine Frist von drei Wochen ab Zugang der Kündigungserklärung vor, wenn der Gekündigte eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben möchte. Daher empfiehlt es sich, unmittelbar nach Erhalt der Kündigung einen Rechtsanwalt mit der Überprüfung und gegebenenfalls Klageerhebung zu beauftragen. Denn die Frist kann nur durch rechtzeitigen Eingang der Klage beim Arbeitsgericht gewahrt werden. Gleichzeitig ist die Kontaktaufnahme zum Betriebsrat empfehlenswert, um nähere Informationen zu den Kündigungsgründen und dem Anhörungsverfahren zu erhalten.

Wie verhalte ich mich persönlich korrekt, wenn mir mein Arbeitgeber kündigt und ich damit nicht einverstanden bin? Schließlich gilt in der Regel eine Kündigungsfrist, sodass ich unter Umständen noch einige Monate mit meinem Chef zusammen arbeiten muss. Zumal ich ja auch noch ein Arbeitszeugnis erwarte.

Astrid Kreuzer: Der Ausspruch einer Kündigung belastet häufig das Arbeitsverhältnis, insbesondere, wenn diese ungerechtfertigt ist. Vielen Arbeitnehmern fällt es schwer, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner tatsächlichen Beendigung fortzusetzen. Dennoch müssen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ihre jeweiligen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen bis zu dessen Ende erfüllen.

Der Arbeitnehmer erwirbt auch bei nur kurzer Beschäftigungsdauer mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dieses muss eine Leistungs- und Führungsbewertung beinhalten und darf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht erschweren. Es muss also wohlwollend sein.

Dem Arbeitnehmer steht zwar grundsätzlich kein Formulierungsrecht des Zeugnisses zu. Entspricht das Zeugnis aber nicht den gesetzlich festgelegten Anforderungen, kann er vom Arbeitgeber eine Korrektur verlangen und diesen Anspruch auch gerichtlich erstreiten.

Was kann ich tun, wenn das Arbeitsverhältnis durch die ungerechtfertigte Kündigung so gestört ist, dass ich nicht mehr in dieser Firma arbeiten möchte. Sollte ich die Kündigung dann einfach hinnehmen?

Astrid Kreuzer: Wer eine unwirksame Kündigung ohne Einwände akzeptiert, nimmt unter Umständen gravierende finanzielle Nachteile in Kauf. Nachteile für den Arbeitnehmer entstehen zum Beispiel, wenn das Arbeitsverhältnis ungerechtfertigt mit einer verkürzten Kündigungsfrist oder gar fristlos beendet wurde und kein Anschlussarbeitsverhältnis besteht. Beantragt der Gekündigte Arbeitslosengeld, droht dabei sogar eine Kürzung durch die Agentur für Arbeit, wenn er die Kündigung einfach hinnimmt. Denn grundsätzlich gilt: der Arbeitnehmer ist für die Wahrung seiner Rechte aus dem Arbeitsverhältnis selbst verantwortlich. Spricht die Agentur für Arbeit eine Sperrzeit aus, erhält der Arbeitnehmer in dieser Zeit weder Arbeitslosengeld noch ist er krankenversichert.

Die rechtliche Überprüfung einer Kündigung und die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche des Arbeitnehmers sind daher unabdingbar, unabhängig davon, ob eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gewünscht ist oder nicht. Hinzu kommt, dass der ungerechtfertigt kündigende Arbeitgeber im Falle der gerichtlichen Überprüfung oft zu einer einvernehmlichen Regelung bereit ist. Häufig können sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber dann über die Leistung einer Entschädigung einigen.

Frau Kreuzer, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.

Autor/in: Jennifer Siebert
Veröffentlicht am 23. Juni 2015

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