Die ältesten Tempel der Menschheit – Die Ausgrabungen am steinzeitlichen Göbekli Tepe in Obermesopotamien

Der Förderverein für das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Hochschule laden am Mittwoch, 29. Juni 2011, zum öffentlichen Jahresvortrag zur vor- und frühgeschichtlichen Archäologie ein.

Zu Gast ist Prof. Dr. Klaus Schmidt vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Berlin mit seinem Vortrag „Die ältesten Tempel der Menschheit – Die Ausgrabungen am steinzeitlichen Göbekli Tepe in Obermesopotamien“. Der Vortrag beginnt am Mittwoch, 29. Juni 2011, um 19:15 Uhr im Vortragssaal des Römisch-Germanischen Zentralmuseums im Kurfürstlichen Schloss in Mainz; der Zugang erfolgt über den Innenhof des Schlosses. Der Eintritt ist frei. Interessiertes Publikum ist herzlich eingeladen.
Göbekli Tepe liegt zwischen den Oberläufen von Euphrat und Tigris und war ¬ein heiliger Platz, der für die steinzeitliche Gesellschaft Obermesopotamiens als ein Ort der Erinnerung diente, der wie ein Heiligtum als zentraler Orientierungspunkt der Gesellschaft fungierte. In Obermesopotamien waren die naturräumlichen Gegebenheiten ideal für eine Entwicklung, an deren Ende sich im 10. und 9. Jahrtausend die nomadisierenden Jäger und Sammler zu sesshaften Bauern gewandelt hatten. Die steinzeitlichen Heiligtümer des Göbekli Tepe ragen nicht nur durch ihre Monumentalität und die Vielfalt ihrer künstlerischen Ausstattung mit großformatigen Skulpturen und Reliefs aus den bisher bekannten „heiligen Stätten der Steinzeit“ hervor, sie scheinen eine Schüsselfunktion im Geschehen der Transformation vom Wildbeuter zum Bauern zu besitzen. Errichtet wurden in ihrer Konzeption immer gleiche Anlagen, die von einem immer wiederkehrenden Element beherrscht werden: den T-förmigen, aus Kalkstein gefertigten monolithischen Pfeilern, die kreis- oder ovalförmig um zwei besonders große, sonst aber gleichartige Pfeiler aufgestellt wurden. Es handelt sich letztlich um Steinkreise, wie sie aus vielen Regionen der Welt bekannt sind.
Im Mittelpunkt der aktuellen Grabungsaktivitäten am Göbekli Tepe steht Anlage D, die mit 20 Metern Innendurchmesser nicht nur den bisher größten, sondern auch den besterhaltenen Steinkreis darstellt. Die T-Pfeiler und die Ringmauern wurden durch die Verfüllung hervorragend konserviert. Es handelt sich hierbei um Pfeiler, bei denen die in Flachrelief gezeichnete Arme und Hände sowie ein darunter angebrachter Gürtel und ein Tierfell als Lendenschurz deutlich machen, dass der Begriff „Pfeiler“ nur als Hilfsbegriff zu verstehen ist und dass es sich bei den T-Pfeilern in Wirklichkeit um dreidimensionale Monumentalstatuen handelt. Auf vielen der im Kreis stehenden Pfeiler finden sich eine Vielzahl von in Flachrelief dargestellten Tieren: Schlangen und Stiere, Füchse und Keiler, Gazellen und Wildesel, Spinnen und Skorpione treten in teilweise szenischen, narrativen Gruppierungen auf, die als Illustration mythischer, auf den T-Pfeilern zitierter Ereignisse zu verstehen sind. Dieses am Göbekli Tepe in monumentalisierter Ausführung präsentierte Bildrepertoire findet an mehreren obermesopotamischen Fundorten dieser Zeit eine Wiederholung. Dort allerdings meist nur in Gestalt von Ritzungen auf kleinen, münz- bis handtellergroßen Artefakten. Auch wenn derzeit noch keine Lesung dieser Reliefs möglich ist, so kann doch unterstellt werden, dass die Darstellungen auf eine Lesbarkeit durch den steinzeitlichen Betrachter zielte. Es gab also ein Zeichensystem, mit dem Geschichten und Botschaften notiert und memoriert werden konnten.

Prof. Dr. Klaus Schmidt ist seit 2001 Referent für prähistorische Archäologie Vorderasiens bei der Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin und hat nach seiner Habilitation mehrere Vertretungsprofessuren an den Universitäten Bamberg, Berlin und Erlangen-Nürnberg angetreten. Die Ausgrabungen an der berühmten Fundstelle Göbekli Tepe leitet er bereits seit 1995.

Kontakt und weitere Informationen:
Dr. Birgit Heide
Förderverein für das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Schillerstr. 11
D 55116 Mainz
Tel.  06131 39-30009
E-Mail: archvfg@mail.uni-mainz.de
http://www.archaeologie.geschichte.uni-mainz.de/

Veröffentlicht am 22. Juni 2011