Bewerbungsverfahren bei internationalen Unternehmen wie Google

Bewerbungsverfahren bei internationalen Unternehmen wie Google

Tausende Bewerber träumen davon, Teil eines großen Weltkonzerns zu werden. Deshalb haben Google, Unilever, Siemens und Co. komplexe Auswahlstrategien entwickelt, um die schiere Masse der jährlich eingehenden Bewerbungen zu bewältigen und die besten Bewerber herauszufischen.

Die Gründe bei einem internationalen Unternehmen arbeiten zu wollen, können vielseitig sein. Meist spielen das damit verbundene Prestige, hohe Lohnaussichten, gute interne Aufstiegschancen und ein verringertes Arbeitsplatzrisiko eine Rolle.

Bei so vielen Annehmlichkeiten ist es kein Wunder, dass die Personalabteilungen von Großkonzernen jedes Jahr mit einer wahren Flut von Bewerbungen konfrontiert werden. Bei der Auswahl der passenden Bewerber aus dieser Masse verlassen sich die Personalabteilungen längst nicht mehr nur auf das klassische Vorstellungsgespräch, in dem die Eignung des Kandidaten nicht hundertprozentig festgestellt werden kann. Stattdessen setzen Großkonzerne im Bewerbungsverfahren immer häufiger auf webbasierte Bewerbungsformulare, Telefoninterviews, Assessment-Days und / oder intensive Vorstellungsgespräche, um die perfekte Besetzung zu finden.

Webbasierte Bewerbungsformulare

Webbasierte Bewerbungsformulare sind Online Bewerbungsformulare, welche detailliert aufgelistete Auswahlfelder zu den schulischen, akademischen und beruflichen Stationen eines Bewerbers und seinen Leistungen enthalten. Zum Teil finden sich in den webbasierten Bewerbungsformularen aber auch Fragen, die über den klassischen Fragenkatalog zum Lebenslauf hinausgehen. Im Google Bewerbungsbogen müssen etwa Fragen beantwortet werden, wie:

  • Haben Sie schon einmal Geld für Nachhilfe, Kochen oder für das Ausführen eines Hundes verdient?
  • Haben Sie schon einmal einen regionalen, landesweiten oder Welt-Rekord aufgestellt?
  • Haben Sie schon einmal ein Buch geschrieben?
  • Haben Sie eine wohltätige Organisation gegründet?

Sinn und Zweck von webbasierten Bewerbungsformularen ist die Durchführung einer computergesteuerten effizienten Vorauswahl. Beim Münchener Konzern Siemens beispielsweise gehen laut Spiegel.de jährlich 20.000 Blindbewerbungen ein und bei Google eine Million – eine Flut an Bewerberinformationen, die ohne digitale Hilfe nicht bearbeitet werden könnte.

Webbasierte Bewerbungsformulare können nachteilig für einige Bewerber sein, da sie aufgrund von Kleinigkeiten schnell aus dem Wettlauf disqualifiziert werden können. Deshalb ist es wichtig, dass Bewerber das Online Formular behutsam ausfüllen und einige Tipps beachten.

  • Prinzipiell, darf kein einziges Feld im Onlinebogen weiß bleiben.
  • „Freiwilligenfelder“  bieten eine gute Möglichkeit, zusätzliche Fähigkeiten, Spezialisierungen, Aktivitäten und Erfahrungen anzupreisen, welche nicht abgefragt wurden.
  • Möglichst selten sollte der Kandidat „Sonstige“ im Auswahlmenü anklicken, sondern sich eher für die zutreffendste Auswahlmöglichkeit entscheiden.
  • Sollte eine Selbstbeschreibung oder ein sonstiges Statement in einem großzügigen Freitextfeld abgefragt werden, sollte der Bewerber relevante Skills benennen. Damit Kandidaten mit den richtigen Fähigkeiten glänzen können, sollten sie die Stellenanzeige und etwaige Berufsbeschreibungen vorab genauestens studieren.
  • Am Ende eines jeden Bewerbungsformulars, bekommt der Bewerber meist doch noch die Chance, die gewohnten Unterlagen wie Lebenslauf, Foto, Zeugnisse / Zertifikate und Anschreiben hochzuladen – möglichst im PDF-Format.

Telefoninterview zur Vorauswahl

Haben Kandidaten diese erste, digitale Hürde überwunden, wird es etwas persönlicher. Große Konzerne engagieren in der Regel Personalvermittler, um vorausgewählte Kandidaten am Telefon zu interviewen. Dieses „Phone Screening“, wie es bei Google genannt wird, dient primär dazu, einen Eindruck von der Fachkompetenz und den Gehaltsvorstellungen eines Kandidaten zu bekommen. Personalvermittlungsagenturen sind meist auf Industriezweige spezialisiert und haben bei der Beurteilung von Kandidaten sehr viel Erfahrung. Ein Beispiel für eine solche auf den technischen Bereich spezialisierte Personalvermittlungsagentur ist Cititec.com.

Während des Telefoninterviews, darf der Angerufene keine widersprüchlichen Angaben zu seinen Bewerbungsunterlagen machen, um einen authentischen Eindruck zu hinterlassen.

Bei einem spontanen Anruf aus der Personalabteilung sollten Kandidaten idealerweise versuchen, etwas Vorbereitungszeit zu gewinnen. Beispielsweise indem sie den Überraschungsanrufer auf einen anderen Termin vertrösten.

Bewerber beeindrucken im Telefoninterview mit einer ruhigen Stimme, langsamen Sprechtempo und einer klaren sowie einfachen Sprache. Hastige Sprecher sind am Telefon noch schwerer zu verstehen, als von Angesicht zu Angesicht, und Plauderer haben den Sinn und Zweck eines Telefoninterviews missverstanden.

Das Assessment-Center oder Interviews

Laut Sueddeutsche.de verlassen sich bereits 3 von 4 deutschen Unternehmen bei der Kandidatenauswahl auf Assessment-Center. Diese laden die Finalisten zu einem oder mehreren Assessmenttagen ein, wo sie einige „Bewährungsproben“ bestehen müssen.

Google hingegen benutzt eine Reihe von Interviews (mit einer Person oder einem ganzen Komitee), um die Eignungsfähigkeit des Bewerbers genauestens zu testen. Dabei setzt der Suchmaschinenmarktführer bekannterweise in 4 bis 9 Bewerbungsgesprächen auf eine ungewöhnliche Fragetechnik, um die geistige Schlagfertigkeit, Flexibilität und Kreativität eines Kandidaten zu testen. In Googles Vorstellungsgesprächen sollen Bewerbern schon folgende Fragen gestellt worden sein:

  • “Wie oft überholen sich die Zeiger einer Uhr pro Tag?”
  • „Warum sind Kanaldeckel rund?“
  • „Wie viele Golfbälle passen in einen Bus“
  • „Wie viel solltest du berechnen, wenn du alle Fenster in Seattle putzen müsstest?“

Sollte der Bewerber auch noch so witzig und kreativ antworten, bei den US-amerikanischen Unternehmen entscheiden trotzdem ganze Komitees –  keine einzelnen Manager.

Die Unternehmen, die auf Assessment Center zurückgreifen, versuchen primär, den besten Kandidaten mit den gefragten sozialen, methodischen und persönlichen Kompetenzen auszuwählen. Zu den oft verlangten „Soft Skills“ werden Teamfähigkeit, Stressresistenz, Kommunikation und Konfliktverhalten gezählt. Methodische Skills sind beispielsweise Präsentationsstärke, Problemlösungskompetenz, Zeit- und Projektmanagement sowie Organisations- und Entscheidungsfähigkeit. Harte Faktoren, wie Fachwissen, wurden in der Regel bereits vorab geprüft und spielen während den „Assessment-Days“ eine Nebenrolle.

Während dieser Tage durchlaufen die Kandidaten Tests (z.B. Persönlichkeits- und IQ-Tests), Fallbeispiel-Fragestellungen, Interviews, Gruppendiskussionen, Präsentationen, Rollenspiele und vieles mehr. Alle Aktivitäten, welche die Kandidaten in berufstypischen Situationen in Aktion zeigen. Meist wird vor dem Beginn der Aktivitäten ein Persönlichkeitstest durchgeführt, der die Einordnung einer Persönlichkeit auf der Grundlage der „Big Five“ vornimmt (emotionale Stabilität, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, soziale Verträglichkeit und Extrovertiertheit). Die Resultate liefern dann ein genaues Gesamtbild der Qualifikationen eines Kandidaten, was ein einzelnes Interview nicht liefern könnte.

Rollenspiele und Interviews

Rollenspiele und Interviews werden von Assessment Centern benutzt, um Soft Skills, wie die Stressresistenz eines Kandidaten, zu beurteilen.

In den Rollenspielen (meist fiktive Konfliktgespräche zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern) sind Kommunikationsfähigkeit, Überzeugungsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, und Einfühlungsvermögen gefragt, um die gestellte, meist schwierige Situation geschickt zu meistern. Kandidaten werden danach beurteilt, ob Sie ergebnisorientiert handeln und eine Situation schnell erfassen können.

Bestandteil eines Assessment-Days können auch Interviews sein, in denen versucht wird, die Kandidaten unter Stress zu setzen und mit unangenehmen Fragen in die Ecke zu drängen. Bewerber, die trotzdem ruhig, freundlich und gelassen bleiben, bestehen diese Probe.

Postkorbübung und Fallstudien

Diese beiden Tests dienen dem Nachweis der Methodenkompetenz eines Kandidaten. Postkorbübungen werden auch oft in normalen Interviews mit eingebaut. Hier werden dem Kandidaten fiktive Aufgaben genannt, wie sie im Job vorkommen könnten.

Zu den Aufgaben werden ein paar erschwerende Umstände hinzugefügt, und der Kandidat muss erklären in welcher Reihenfolge er alles abarbeiten würde.
Mit einer guten Strategie beweist der Kandidat, dass er Probleme lösen, Prioritäten setzen und Aufgaben organisieren und delegieren kann.  Die Problemlösung einer betriebswirtschaftlichen Fallstudie (z.B. Personalplanung, Marketing, Unternehmensstrategie) hingegen muss präsentiert werden, somit sind Kreativität, Präsentationsfähigkeiten, Sorgfalt und strategisches Denken gefragt.

Autor/in: Jacqueline Rose
Veröffentlicht am 15. Mai 2013

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