Die Gesundheitsbranche boomt und bietet ein breites Tätigkeitsfeld. Auch das Thema Ernährung spielt dabei eine große Rolle. Wer sich gesund ernähren will oder aufgrund von Krankheiten eine spezielle Ernährung benötigt, wendet sich an einen Ernährungsberater. Im Interview spricht Dr. Ute Brehme von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) über die verschiedenen Ausbildungswege und das Berufsbild des Ernährungsberaters.
Dr. Ute Brehme: In der Ernährungswissenschaft und angrenzenden Gebieten findet ein schneller Wissenszuwachs statt. Daher kann keine Ernährungsberatungsfachkraft „alles“ beraten. Es werden Spezialisierungen z.B. für die Allergieberatung, Schulung von Diabetikern, für Übergewicht und Adipositas bei Kindern oder Erwachsenen, für die Ernährungsbildung und Gesundheitsförderung, für enterale und parenterale Ernährung und zahlreiche andere diätetische Indikationen angeboten.
Zudem gibt es für die Weiterentwicklung der Beratungskompetenz viele Seminare oder auch curriculare Weiterbildungen. Wenn beispielsweise eine aktualisierte Leitlinie für das eigene Schwerpunktgebiet veröffentlicht wird, muss die Fachkraft diese kennen und umsetzen können. Ob sie dies durch Teilnahme an Kongressen, Austausch mit Fachkollegen oder im interdisziplinären Team, Lesen von Fachliteratur oder durch die Teilnahme an einem speziellen Seminar erreicht, das kann jeder für sich selbst am besten entscheiden. Wir sehen, dass die in der Ernährungsberatung tätigen Fachkräfte die Wichtigkeit von Fortbildung beziehungsweise von lebenslangem Lernen erkannt haben. Sie engagieren sich für ihre berufliche und persönliche Weiterentwicklung mit dem Ziel einer dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechenden Beratung.
Dr. Ute Brehme: Die Qualifizierung zur Ernährungsberaterin/DGE bzw. zum Ernährungsberater/DGE gibt es bereits seit 1957. Sie richtete sich ausschließlich an Diätassistenten, dem staatlich anerkannten Gesundheitsberuf für die Ernährungsberatung und Diättherapie. Seit 1999 werden auch Oecotrophologen oder auch Ökotrophologen sowie Ernährungswissenschaftler zum Lehrgang zugelassen. Beim Oecotrophologiestudium, das in den verschiedenen Studiengängen an den verschiedenen Studienorten eine große Auswahl an Spezialisierungen bietet, ist die Modulauswahl entscheidend für eine Zulassung zur Zertifizierung. Für die Ernährungsberatung zentrale Themen sind Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften, aber auch naturwissenschaftliche Grundlagen, Biochemie, Anatomie, Physiologie, Ernährungssoziologie, Ernährungsmedizin und natürlich Beratungsmethodik sind relevant. Für Auswahl und Mindestumfang der Themen wurden 2011 die „DGE-Zulassungskriterien“ erarbeitet. Sie helfen Interessenten und Studierenden, die in der Ernährungsberatung tätig werden möchten, bei der Auswahl eines geeigneten Studienschwerpunkts innerhalb der Oecotrophologie.
Im InterviewDr. Ute Brehme, Leiterin des Referats Fortbildung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) |
Bei der „Anerkennung“ des Zertifikats Ernährungsberater/DGE handelt es sich übrigens um die sog. Anbieterqualifikation auf Basis des § 20 SGB V, die im „Leitfaden Prävention“ des GKV-Spitzenverbands festgelegt ist. Diätassistenten und Ökotrophologen/Ernährungswissenschaftler weisen damit ihre Qualifikation für die primärpräventive Ernährungsberatung nach. Die Klienten einer Ernährungsberatung haben bei diesen zertifizierten Fachkräften die Möglichkeit, einen Zuschuss ihrer gesetzlichen Krankenkasse für die Beratungskosten in Anspruch zu nehmen. Insgesamt fünf Zertifikate sind im Leitfaden Prävention für die Ernährungsberatung aufgeführt: von DGE, VDD, VDOE, VFED und QUETHEB.
Dr. Ute Brehme: Rein juristisch gesehen kann jeder als Ernährungsberater tätig werden, unabhängig von Dauer oder Qualität eines Kurses. Aus Sicht des Verbraucherschutzes ist das ein großes Problem. Die DGE und zahlreiche andere Institutionen haben 2005 aus diesem Grund eine „Rahmenvereinbarung zur Qualitätssicherung in der Ernährungsberatung und Ernährungsbildung in Deutschland“ veröffentlicht. Dort findet der Verbraucher Hinweise, an welchen Grundqualifikationen und Zertifikaten er sich bei der Suche nach einer Fachkraft orientieren kann.
Das Referat Fortbildung der DGE erhält täglich Anfragen von Interessierten auf der Suche nach einer anerkannten Ausbildung zum Ernährungsberater. Viele äußern, dass sie aufgrund der zahlreichen Angebote verunsichert sind. Aber was bedeutet „anerkannt“ in diesem Zusammenhang? “Staatlich anerkannt“ ist der Beruf des Diätassistenten, „anerkannt“ im Sinne der o. g. Anbieterqualifikation sind Diätassistenten, Oecotrophologen und Ernährungswissenschaftler mit entsprechendem Zertifikat. Wenn bei Fernlehrgängen von einer Anerkennung gesprochen wird, ist damit die Zulassung bzw. Registrierung von Fernlehrgängen nach dem „Gesetz zum Schutz der Teilnehmer am Fernunterricht (FernUSG)“ gemeint. Dies hat jedoch nichts mit einer Anerkennung des erworbenen Zertifikats zu tun. Auch eine Zertifizierungsnummer nach AZAV, die in der Regel für eine Förderung über Bildungsgutscheine der Bundesagentur für Arbeit erforderlich ist, sagt nichts über die Anerkennung einer Fortbildung in der Fachwelt aus.
Letztendlich muss jeder für sich entscheiden, wie wichtig ihm eine „anerkannte“ Qualifizierung und qualitätsgesicherte Tätigkeit oder auch die Zusammenarbeit mit den gesetzlichen Krankenkassen ist. Die Frage, welche Möglichkeiten der weiteren Qualifizierung es gibt, z. B. ob Fortbildungen von Fachgesellschaften besucht werden können oder welche Masterstudiengänge bei einem bestimmten Bachelorabschluss infrage kommen, sollte unbedingt im Vorfeld recherchiert werden.
Dr. Ute Brehme: Unsere Erfahrung aus den zahlreichen Anfragen ist, dass Absolventen ohne entsprechende Grundqualifikation bei ihrem Start in eine Selbstständigkeit schnell mit der Frage von Klienten nach dem Zuschuss der gesetzlichen Krankenkassen konfrontiert werden. Dann fragen sie bei uns an – und erfahren, dass vor dem Erwerb eines Zertifikats für die Anbieterqualifikation noch eine Ausbildung/ein Studium von mindestens 3 Jahren Dauer erforderlich ist. Das ist natürlich bitter. Daher freuen wir uns, dass die allermeisten Anfragen an uns gestellt werden, bevor die Interessierten sich für eine bestimmte Qualifizierung entscheiden.
Mir sind keine Zahlen bekannt, wie viele Absolventen von Kursen und Lehrgängen ohne die genannten Grundqualifikationen eine Anstellung finden oder in der Selbstständigkeit beruflich Fuß fassen können. Diese Frage sollte jeder Interessierte den Anbietern entsprechender Zertifikate stellen.
Auch Angehörige anderer Berufsgruppen, z. B. Medizinische Fachangestellte, Hauswirtschafter oder Absolventinnen und Absolventen anderer Studienabschlüsse wie Biologie oder Lebensmitteltechnologie, haben Fragen zu einem „Quereinstieg“ in die Ernährungsberatung. Auch hier lautet die Auskunft, dass die Ausbildung zum Diätassistenten bzw. ein entsprechendes Studium erforderlich ist. Wir können in diesen Fällen aber individuell Hinweise geben, wie vorhandene Qualifikationen möglicherweise angerechnet werden können und über Fördermöglichkeiten informieren oder auch Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Ernährungsfachkräften aufzeigen.
Dr. Ute Brehme: Das Berufsbild ist sehr vielfältig. Die Ernährungsberaterinnen/DGE und Ernährungsberater/DGE sind in Krankenhäusern, Rehakliniken, Arztpraxen (z. B. ernährungsmedizinische oder diabetologische Schwerpunktpraxen) oder Krankenkassen angestellt, sie sind selbstständig in der Ernährungsberatung, -therapie oder -bildung tätig oder kombinieren Angestelltenverhältnis und Selbstständigkeit. Es werden Einzel- und/oder Gruppenberatungen sowie Maßnahmen in der Ernährungsbildung oder in der Betrieblichen Gesundheitsförderung angeboten.
Ziel der Ernährungstherapie ist, Lösungen für die Behandlung von ernährungsmitbedingten Krankheiten oder bei krankheitsbedingten Ernährungsproblemen im persönlichen Kontakt zwischen Patient und Ernährungsfachkraft zu entwickeln. Dabei werden die individuellen Bedürfnisse des Patienten im Rahmen der medizinisch notwendigen Maßnahmen und seiner persönlichen Fähigkeiten beachtet. Die primärpräventive Ernährungsberatung richtet sich an den „gesunden“ Menschen und zielt darauf ab, eine gesundheitsfördernde Lebensweise zu unterstützen. Wenn zum Beispiel die Umsetzung einer vollwertigen Ernährung das Ziel ist, wird der Berater dem Klienten im Beratungsprozess die individuell erforderlichen Inhalte – Fachinformationen und bei Bedarf Hinweise zur praktischen Umsetzung – verständlich vermitteln. Der Schwerpunkt liegt jedoch darin, dass der Berater geeignete Methoden auswählt, um den Klienten bei der Entwicklung eigener Ideen zur Problembewältigung und deren konkreten Umsetzung in den Lebensalltag im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu unterstützen und zu motivieren.
Diese Kombination aus ernährungswissenschaftlicher / ernährungsmedizinischer / lebensmittelwissenschaftlicher Kompetenz und der Arbeit mit Menschen, die viel Beratungskompetenz erfordert, macht sicherlich für viele den Reiz des Berufs aus. Neben der eigentlichen Beratung mit Anamnese, Dokumentation und Evaluation sind weitere Tätigkeiten möglich wie: Entwicklung von Curricula für Schulungen, Projekte in der Ernährungsbildung, bei Selbstständigkeit das unternehmerische Handeln, Halten von Vorträgen oder Verfassen von Fachbeiträgen.
Für Interessierte ist eine Hospitation oder ein Praktikum in der Ernährungsberatung/-therapie empfehlenswert, um sich ein konkretes Bild zu machen. Neben Kliniken und Arztpraxen können zertifizierte Fachkräfte angefragt werden, die oben genannten Institutionen veröffentlichen entsprechende Listen auf ihren Internetseiten.
Dr. Ute Brehme: Der Berater hat ein positives Menschenbild und begegnet seinem Gegenüber wertschätzend und mit einfühlendem Verstehen – und bleibt dabei er selbst. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion, zum kollegialen und interdisziplinären Austausch sowie die Bereitschaft zu kontinuierlicher Fortbildung sind Voraussetzungen für die berufliche Weiterentwicklung.
Dr. Ute Brehme: Ernährung bedeutet für mich Faszination angesichts interessanter Erkenntnisse zu ernährungswissenschaftlichen Themen und Begeisterung, diese in der Fortbildung von Fachkräften umzusetzen, viel Freude beim Essen von (vielen) bewährten Lieblingsgerichten und auf der immerwährenden Suche nach neuen Lieblingsgerichten – und einen abwechslungsreichen „Broterwerb“.
Frau Dr. Brehme, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.
Interview geführt am 13.12.2012 von Geraldine Zimmermann.
Autor/in: Geraldine Zimmermann