Studieren im benachbarten Ausland

Studieren im benachbarten Ausland

1-2 Semester Erfahrung im Ausland sammeln und dann in Deutschland das Studium abschließen – die meisten angehenden Akademiker haben ähnliche Gedanken im Hinterkopf. In einigen Fällen reift dagegen die Erkenntnis heran, dass ein Studium im benachbarten Ausland – also beispielsweise in der Schweiz, den Niederlanden oder Belgien und Österreich – seine Vorzüge haben kann.

Und statt sich an einer Hochschule in Deutschland einzuschreiben, landet jedes Jahr eine wachsende Zahl von jungen Erwachsenen auf diese Weise im Ausland. Zugegeben, im Vergleich zur Zahl der Neueinschreibungen zwischen Rhein und Oder ist die Anzahl derer, die ein komplettes Studium im Ausland hinter sich bringen, gering.

Dennoch zeigt die wachsende Mobilität, dass zumindest in der jungen Generation der Gedanke an ein vereintes Europa erste Früchte zu tragen scheint. Was sind aber die Beweggründe hinter der Entscheidung für ein Studium im Ausland? Kehrt man der Heimat und Deutschland doch über Jahre den Rücken und muss sich nicht nur mit einer neuen Sprache, sondern mitunter auch einem gänzlich anderen Bildungssystem auseinandersetzen. Hinzu kommt ein weiteres Problem – die Anerkennung des Abschlusses.

Studieren in Deutschland – Zwischen Zulassungsbeschränkung und Hörsaal

Einer der Gründe, warum sich junge Deutsche für das Auslandsstudium entscheiden, liegt in der deutschen Bildungspolitik. In vielen Studienfächern ist die Zahl der Bewerber so groß, dass die Hörsäle förmlich aus allen Nähten platzen. 300-400 Studenten pro Vorlesung sind beispielsweise in den Wirtschaftswissenschaften selbst an kleineren Hochschulen keine Seltenheit. Problematisch wird die große Zahl der Bewerber spätestens in Seminaren und Übungen – wenn nur begrenzt Plätze zur Verfügung stehen.

Wer hier zu spät kommt, muss mitunter ein oder zwei Semester auf die nächste Chance warten. Darüber hinaus existieren in verschiedenen Studienfächern Zulassungsbeschränkungen, mit denen die große Zahl an Bewerbern kanalisiert werden soll. Probleme, die sich gerade in den letzten Jahren durch die Verkürzung der Abiturzeiten und den Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht verschärft haben. So erreichte die Zahl der Neueinschreibungen mit 518.700 Studenten im Jahr 2011 einen neuen Höchststand.

Hinzu kommt ein weiteres Problem, das viele Studenten erst nach der Immatrikulation zu spüren bekommen. Durch die Umstellung vom Diplom- auf das Bachelor-/Mastersystem haben sich gravierende Veränderungen im Studienaufbau und den Inhalten ergeben. Nicht jede Uni/Fakultät ist den Herausforderungen bisher gewachsen gewesen. Teils chaotische Zustände im Studienaufbau machen es angehenden Akademikern in Deutschland schwer, sich aufs Lernen zu konzentrieren.

Studieren im Ausland – Chance oder Sackgasse?

Das Studium ist quasi die erste Sprosse der Karriereleiter. Kontakte zum Lehrkörper, zwischen den Kommilitonen und natürlich zu Unternehmen – die etwa im Zuge eines Praktikums entstehen können – können den späteren Berufseinstieg deutlich leichter machen. Abseits dieses Netzwerks steht jedoch immer auch das fachliche Know-how im Vordergrund.

Wer nicht einfach nur Auslandserfahrung sammeln will, sondern das Studium im Ausland vom ersten bis zum letzten Semester durchzieht, ist auf eine möglichst niedrige Sprachbarriere angewiesen. Daher sind vor allem die Schweiz, Österreich oder die Niederlande besonders beliebte Ziele. Denn mitunter muss man vor oder während des ersten Semesters Prüfungsleistungen erbringen, um überhaupt eine Chance aufs Studium im Ausland zu haben. So hat beispielsweise Österreich für das Wintersemester 2011/2012 eine Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) eingeführt. Nur wer die notwendigen Prüfungsleistungen im 1. Semester erreicht, darf weiterstudieren. Ohne die nötigen Sprachkenntnisse wird diese Hürde bedeutend höher.

Herausforderungen, die Studenten aus Deutschland nicht von einem Studium im benachbarten Ausland abhalten. Wie viele angehende Akademiker entscheiden sich aber für diesen Schritt? Laut Statistischem Bundesamt lag beispielsweise die Zahl der deutschen Studienanfänger im Jahr 2010 für

  • Österreich bei 7.703
  • die Niederlande bei 7.487
  • Großbritannien bei 2.920
  • die Schweiz bei 4.553
  • Frankreich bei 1.732
  • Schweden bei 2.775

Gemessen an der Zahl in Deutschland eingeschriebener Studenten für den gleichen Zeitraum – laut Statistischem Bundesamt lag deren Zahl bei 1.965.572 Studenten – eine Minderheit. Allerdings könnte die Anzahl der Studenten, die sich für ein  Studium im benachbarten Ausland entscheiden, auf lange Sicht wachsen. Denn begünstigt wird der Trend zum Studium jenseits der Grenze durch eine wichtige Veränderung – die Bologna-Reform. In deren Fahrwasser haben auch deutsche Hochschulen die Trutzburg des Diplomstudiums aufgegeben und ihre Studienfächer auf das Bachelor-/Mastersystem umstellen müssen.

Studenten aus Deutschland fällt es seitdem leichter, die Abschlüsse aus dem benachbarten Ausland in der Heimat anerkennen zu lassen. Dennoch sollte man nicht darauf hoffen, sich ins gemachte Nest setzen zu können. Während an vielen deutschen Fakultäten zwischen Lehrkörper und Studenten ein Umgang mit flachen Hierarchien gepflegt wird, kann dies im Ausland anders aussehen. Traditions- und standesbewusste Professoren wahren eine gewisse Distanz zum Studenten – beispielsweise in Österreich.

Je nach Studienland müssen sich angehende Akademiker also durchaus auf deutliche Unterschiede einstellen. Wie sehen diese aus? In Deutschland ist das Hochschulwesen im Allgemeinen zwischen den Universitäten, Kunst- und Pädagogisch-Theologischen Hochschulen sowie den Fachhochschulen aufgeteilt. In Frankreich sieht die Hochschullandschaft etwas anders aus. Hier konkurrieren Universitäten, Grandes Écoles und Spezialfachschulen miteinander. Entscheidet man sich dagegen für Österreich, wird man viele Parallelen zum deutschen Hochschulsystem finden. Neben den Universitäten in staatlicher Hand und Fachhochschulen, in denen die praktische Komponente stärker gewichtet wird, existieren aber auch einige private Unis sowie Einrichtungen, die nur einige Fachhochschulstudiengänge anbieten.

Tipp: Österreich, Deutschland und die Schweiz sind nicht nur sprachlich verwandt. Auch das Hochschulwesen lässt Gemeinsamkeiten erkennen, denn auch in der Schweiz koexistieren Universität und Fachhochschule. Interessierte Studenten aus Deutschland im Bereich der Pädagogik sollten allerdings die Augen offen halten – in der Schweiz sind für die Lehrerausbildung eigens pädagogische Hochschulen zuständig.

Autor/in: Kilian Fromeyer
Veröffentlicht am 22. Februar 2013

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