Die Sommerferien sind kaum vorbei, schon werden im Fernsehen Werbespots diverser Nachhilfeinstitute ausgestrahlt – ist es nicht ein Armutszeugnis des deutschen Schulsystems, dass privater Unterricht schon fast zur Normalität geworden ist?
Was früher noch als Stigma galt, ist heute schon fast normal: Ein Schüler, der Nachhilfe nehmen muss, um in der Schule mitzuhalten. Da ein guter Schulabschluss und eine gute Berufsausbildung (bzw. Studium) als unverzichtbar gelten, investieren immer mehr Eltern und Schüler Zeit und Geld, um eine möglichst gute Ausgangsposition zu erreichen.
Da auch hier die Nachfrage das Angebot bestimmt, gibt es in Deutschland mittlerweile an die 4.000 Nachhilfeanbieter, die einen jährlichen Umsatz von circa 1,2 Milliarden Euro erwirtschaften. Dass es auch hier schwarze Schafe gibt, ist bedauerlich, aber wohl unumgänglich.
Hierfür gibt es mehrere Gründe, als da zum Beispiel wären:
Während manche Familien zufrieden sind, wenn Sohn oder Tochter sich mit Dreien und Vieren bis zum Abschluss durchhangelt, ist es für andere sehr wichtig, dauerhaft einen möglichst guten Notendurchschnitt zu erzielen. Dis ist letztendlich eine Sache des Anspruchs und nicht zuletzt natürlich der finanziellen Gegebenheiten.
Es gibt diverse Möglichkeiten, einen geeigneten Nachhilfelehrer zu finden, so z.B. in der Schule selbst bei Schülern der höheren Klassen, im Bekannten- oder Freundeskreis, in der örtlichen Zeitung, oder – und das dürfte der Hauptanteil sein, im Internet. Dort tummeln sich diverse Anbieter mit diversen Angeboten. Da große Konkurrenz herrscht, sind die meisten Stundensätze recht moderat (90 Minuten sind ab etwa 15 Euro zu erhalten), jedoch haben die allermeisten eine Aufnahmegebühr, manche eine Vertragslaufzeit und noch einige beachtenswerte Punkte mehr.
Es besteht die Möglichkeit für Einzel- oder Gruppenunterricht, und die allermeisten Nachhilfelehrer kommen mittlerweile ins Haus, was begrüßenswert ist. Erstens sind die meisten Kinder nachmittags so ausgelastet (auch durch Sport oder Musikunterricht), dass sie sich den Anfahrtsweg gerne sparen, zweitens besteht hierdurch die Möglichkeit für Eltern und Lehrer, sich zeitnah auszutauschen, was wichtig ist.
Einer der beiden größten deutschen Anbieter ist die „Schülerhilfe“, die es mittlerweile in jeder größeren Stadt gibt. Hier wird Gruppenunterricht angeboten, der dann pro Kind auch nur um die 7 Euro beträgt. Wie viel Zeit dann letztendlich pro Kind bleibt, wenn es in einer Gruppe von bis zu 5 Schülern betreut wird, ist leicht auszurechnen.
Letztendlich hängt es auch vom Anspruch des Schülers, bzw. seiner Eltern ab, wann Nachhilfe in Anspruch genommen wird. Immer mehr Grundschüler erhalten mittlerweile Nachhilfe, vor allem in Deutsch. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass etwa 20 Prozent aller Schüler bezahlte Hilfe in Anspruch nehmen.
Eine Dozentin: „Ich erhielt einen Anruf einer Schülerhilfe-Filiale in Hamburg. Ob ich nicht einspringen könne, es liege die Anmeldung einer Schülerin vor, die in den Ferien eine intensive Nachhilfe in Spanisch bräuchte, da sie eine Nachprüfung absolvieren müsse.
Obwohl ich die Bezahlung von 8 (!) Euro pro Unterrichtsstunde als unverschämt empfand, sagte ich zu, auch um in einer Notlage behilflich zu sein. Vor Ort trat die dortige Chefin mir gegenüber nicht nur sehr unverschämt auf, sie sagte mir auch ganz nebenbei, es könne sein, dass noch ein Englischschüler hinzukäme. Auf meine fassungslose Frage, wie ich denn dann den Ansprüchen gerecht werden solle, erhielt ich die Auskunft, ich könne dem einen ja Aufgaben geben, während ich mich um den/die andere kümmere. Etwas Derartiges halte ich für unsäglich, deshalb blieb es auch bei dieser einen Stunde bei der Schülerhilfe.“
Mag sein, dass dies ein Einzelfall ist (die Recherche im Internet sagt etwas Anderes), aber Fakt ist, dass die gerade die Schülerhilfe mit einem enormen Werbe- und Marketingaufwand (u.a. mit eigenen Produkten bei Discountern) für einen extrem hohen Bekanntheitsgrad sorgt.
Wie lange Nachhilfe in Anspruch genommen wird (werden muss) ist pauschal nicht zu beantworten. Sollte es sich um eine kurzfristige Hilfe bezüglich einer bevorstehenden Klassenarbeit handeln, ist dies natürlich etwas anderes, als wenn über Monate oder gar Jahre Wissenslücken aufgebaut wurden. Hier sollte man Schüler und Nachhilfelehrer Zeit geben, mindestens sechs Monate. Die besten Ergebnisse wurden in einem Zeitraum zwischen 9 bis 2 Monate erzielt.
Kleiner Tipp: Nicht zu lange warten mit der Nachhilfe – je mehr Lücken vorhanden sind, desto schwieriger ist es, diese zu beheben – zumal ja auch immer neuer Stoff hinzukommt.
Autor/in: Julia StrelowTags: Anbieter, Cybermobbing, Nachhilfe, Nachhilfeinstitut, Nachhilfeunterricht