Wie viele Überstunden sind ok?

Wie viele Überstunden sind ok?

Manch ein Chef nimmt die Arbeitszeiten seiner Azubis nicht so genau. Doch wie viele Überstunden dürfen in der Ausbildung verlangt werden und wie kann man sich wehren, wenn man wieder einmal länger bleiben muss?

Viele Azubis werden ausgenutzt und arbeiten sehr viel länger, als sie es tatsächlich laut Arbeitsvertrag müssten. In der Regel richtet sich dieser nach einem Tarifvertrag, den die Gewerkschaft geschlossen hat – und in der Regel müssen diese Arbeitszeiten auch eingehalten werden. Denn sie reichen aus, um dem Azubi die Ausbildungsinhalte zu vermitteln.[insert related]

Schmerzgrenze 40-Stunden-Woche

Dies gilt besonders, wenn der oder die Auszubildende noch nicht volljährig ist, denn dann greift das Jugendarbeitsschutzgesetz. Das bedeutet, die minderjährigen Azubis dürfen höchstens 40 Stunden pro Woche arbeiten. Bei volljährigen Azubis beträgt die maximale Arbeitszeit pro Woche 48 Stunden. Diese Zahl ist jedoch kein Freifahrtschein für den Chef, seine Auszubildenden tatsächlich auch so lange arbeiten zu lassen. Denn es gilt die Arbeitszeit die im Vertrag steht – alles was darüber hinaus geht, sind Überstunden!

Anrechnung der Berufsschulzeit

Viele Azubis wissen gar nicht, wie sie ihre Berufsschulzeit auf die Arbeitszeit anrechnen müssen. Zählt diese als Arbeitszeit und kann der Betrieb verlangen, dass man nach der Berufsschule noch arbeiten geht? Oder muss man die Berufsschulzeit gar nacharbeiten?

Generell gilt: Berufsschulzeit ist Arbeitszeit! Für den Besuch der Berufsschule müssen Azubis vom Betrieb freigestellt werden.

Anrechnung der Berufsschulzeiten bei Minderjährigen

Wenn der Auszubildende jünger als 18 Jahre ist, wird ein Berufsschultag, der mehr als fünf Unterrichtsstunden umfasst, einmal die Woche mit acht Zeitstunden auf die Arbeitszeit angerechnet. Besucht der Azubi zweimal die Woche die Berufsschule, wird beim zweiten Tag lediglich die Unterrichtszeit einschließlich der Pausen auf die Arbeitszeit angerechnet.
Bei Blockunterricht gilt: Beträgt der Unterricht in der Blockwoche mindestens 25 Stunden und sind diese auf fünf Tage verteilt, wird die Blockwoche mit 40 Stunden auf die Arbeitszeit angerechnet. Während der Blockwoche noch arbeiten zu gehen, ist für minderjährige Azubis also nicht erlaubt. Lediglich betriebliche Ausbildungsveranstaltungen bis zu zwei Stunden pro Woche sind zulässig.

Anrechnung der Berufsschulzeiten bei erwachsenen Auszubildenden

Bei erwachsenen Auszubildenden gelten andere Regeln. Sie müssen nach der Berufsschule oft noch in den Betrieb kommen. Aber: Sie dürfen nicht länger beschäftigt werden als die betriebsüblichen täglichen Arbeitszeiten. Hierbei werden auch die Pausen in der Berufsschule und die Wegezeiten zwischen Berufsschule und Betrieb mitberechnet. Ist die Zeit, die der Azubi nach der Berufsschule noch im Ausbildungsbetrieb verbringen würde, kürzer als 20 Minuten, kann der Ausbilder keine Rückkehr verlangen. Ebenso kann der Chef nicht verlangen, dass seine Azubis die ausgefallenen Ausbildungszeiten außerhalb der betrieblichen Arbeitszeiten nachholen.

Was, wenn die Berufsschule sich nicht mit der Ausbildungszeit überschneidet?

Einen Haken gibt es jedoch für Azubis mit ungewöhnlichen Arbeitszeiten: Die Berufsschulzeit kann nur auf die Arbeitszeit angerechnet werden, wenn sich Unterrichtszeit und Ausbildungszeit überschneiden. Wenn die Berufsschule zu anderen Tageszeiten als die reguläre Ausbildungszeit stattfindet, kann es passieren, dass der Azubi viel mehr Zeit in Berufsschule und Betrieb verbringt, als im Vertrag vorgesehen. Wenn z.B. eine Auszubildende zur Altenpflegerin von Dienstags bis Samstags arbeiten muss, aber Montags Berufsschule hat, wird der Berufsschultag nicht von ihrer Arbeitszeit abgezogen. Wäre der Berufsschultag dagegen Dienstags, würde er auf die Ausbildungszeit angerechnet.

Dürfen Auszubildende überhaupt Überstunden machen?

§ 21 des Jugendarbeitsschutzgesetzes besagt, dass minderjährige Auszubildende nur dann Überstunden machen dürfen, wenn vorübergehende und unaufschiebbare „Arbeiten in Notfällen“ anstehen, „soweit erwachsene Beschäftigte nicht zur Verfügung stehen“. Wenn eine solche Mehrarbeit geleistet wird, ist sie jedoch durch entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit innerhalb der folgenden drei Wochen auszugleichen.

Überstunden sind freiwillig

Im Gegensatz zu normalen Mitarbeitern muss ein Auszubildender Überstunden nur freiwillig machen. Denn die im Tarifvertrag vereinbarte Arbeitszeit reicht aus, um die Lerninhalte zu vermitteln. Dementsprechend müssen Überstunden immer dem Ausbildungszweck dienen. Das bedeutet, es muss ein Ausbilder anwesend sein. Auch die Beschäftigung mit ausbildungsfremden Tätigkeiten während der Überstunden ist nicht zulässig.

Wie viele Überstunden darf ein Azubi machen?

Unter 18-Jährige dürfen nicht mehr als acht Stunden am Tag arbeiten. Eine Verlängerung auf 8,5 Stunden ist nur dann möglich, wenn noch in derselben Woche für einen Ausgleich gesorgt wird. Eine Ausnahme gibt es: Der Azubi darf vorarbeiten, wenn dadurch in Verbindung mit einem Feiertag ein ganzer Tag freigenommen werden kann. Dieser muss allerdings innerhalb von fünf Wochen erfolgen. Zudem müssen zwischen zwei Arbeitstagen immer mindestens 12 Stunden liegen.

Auch für volljährige Auszubildende gibt es Beschränkungen. Nach dem Arbeitszeitgesetz liegt die tägliche Höchstarbeitszeit bei acht Stunden, sie kann aber zeitweise auf zehn Stunden verlängert werden.

Überstunden genau nachhalten

Wenn der Betrieb die Überstunden nicht erfasst, sollte der Auszubildende dies tun. Dabei sollte er sich nicht nur die Dauer notieren, sondern auch, was er wo und mit wem in dieser Zeit gemacht hat. Eine Kopie von Schichtplänen oder Arbeitszeitnachweisen kann helfen, die Überstunden nachzuhalten. So können die Überstunden rückwirkend geltend gemacht werden – eventuell sogar nach Beendigung der Ausbildung.

Wie werden Überstunden ausgeglichen?

§17 des Berufsbildungsgesetzes besagt: „Eine über die vereinbarte regelmäßige tägliche Ausbildungszeit hinausgehende Beschäftigung ist besonders zu vergüten oder durch entsprechende Freizeit auszugleichen.“ Wenn nichts anderes vereinbart ist, müssen Überstunden also besonders vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Als Bezahlung nennt die Handwerkskammer Düsseldorf einen Richtwert von 1/100 der Ausbildungsvergütung pro Stunde. Um die Überstunden schriftlich geltend zu machen, genügt ein Hinweis an den Ausbilder, dass noch Überstunden offen sind. Eine weitere Möglichkeit ist, mit dem Ausbilder eine schriftliche Vereinbarung über einen Ausgleich für die Überstunden abzuschließen.

Wie wehre ich mich gegen Überstunden?

Viele Ausbildungsbetriebe halten sich nicht an die gesetzlichen Regelungen und viele Auszubildende trauen sich nicht, diese Verstöße anzuzeigen, aus Angst, ihren Ausbildungsplatz zu verlieren. Dabei können zu viele Überstunden schwerwiegende Folgen wie z.B. mangelnde Leistungen in der Schule haben. Und sie bergen ein weiteres Risiko: Wer nach der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeit noch im Betrieb ist und einen Arbeitsunfall hat, kann Probleme bekommen, weil die Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft unter Umständen nicht zahlt.

Rat bei zuständiger Gewerkschaft oder Rechtsanwalt holen

Der Auszubildende sollte sich also Rat bei der zuständigen Gewerkschaft oder einem Rechtsanwalt holen. Die Gewerkschaft kann den Azubi auch beraten, welche Zuschläge ihm für Überstunden zustehen und bis wann er sie rückwirkend geltend machen kann. Ebenfalls kann der Azubi den Betrieb bei der Gewerbeaufsicht anzeigen, wenn dieser sich nicht an das Arbeitszeit- oder Jugendarbeitsschutzgesetz hält. Rat bietet der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Autor/in: Sarah Dreyer
Veröffentlicht am 10. Januar 2011

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