Der Bildungskanon: Die „must knows“ der Gesellschaft

Der Bildungskanon: Die „must knows“ der Gesellschaft

Gehören die Namen der Bundesminister zur Allgemeinbildung? Muss man Goethes „Faust“ gelesen haben? Und welcher Film ist DER Klassiker schlechthin?

Ein Bildungskanon definiert den Teil der Bildung, den man als „Maßstab der Dinge“ wissen und kennen sollte. Also das Wissen und die kulturellen Werke, die charakteristisch für eine Kultur sind und deren Kenntnis als notwendig und sozial erwünscht angesehen wird. Denn ursprünglich stammt das Wort „Kanon“ aus dem Hebräischen und bedeutet „Waagebalken“ oder „Maßstab“.

Geschichtliche Einblicke in die Tradition der Kanons

Der erste Kanon, der eine relativ breite Anerkennung erfuhr, entstand in der Antike. Die „Sieben freien Künste“ („septem artes liberales“) gliederten sich in zwei große Bereiche:

  • Trivium
    Grammatik
    Dialektik (bzw. Logik)
    Rhetorik
  • Quadrivium
    Arithmetik
    Geometrie
    Musik
    Astronomie

In einer Abwandlung bzw. Anpassung ist das „Trivium“ noch heute im Bereich der modernen Sprachen anerkannt. Jetzt umfasst es folgende Unterkategorien:

  • die Beherrschung der Sprache,
  • die Fähigkeit zum widerspruchsfreien und schlüssigen Denken
  • sowie die Fähigkeit zu geordneter und wirkungsvoller Kommunikation.

Übrigens stammt das Wort „trivial“ aus diesem Kontext und meint die absolute Sicherheit im Umgang mit den drei Bereichen des „Trivium“ – trivial ist etwas naheliegendes, das für jedermann ersichtlich ist.

Der schulische Bildungskanon

Gerade bei der Gestaltung der Lehrpläne in Schulen ist es von besonderer Bedeutung, was für Schülerinnen und Schülern als unbedingt wissenswert angesehen wird. Der schulische Bildungskanon umfasst demnach die unterrichteten Schulfächer und deren Lehrpläne. Die Fächer sollen den Heranwachsenden auf das Leben vorbereiten. Konkret beinhaltet der schulische Bildungskanon in den meisten Bundesländern die folgenden Fächer:

  • Deutsch
  • Fremdsprachen
  • Mathematik
  • Biologie
  • Geographie / Geowissenschaften
  • Physik
  • Chemie
  • Geschichte
  • Musik/Kunst und musische Bildung
  • Religion / Ethik
  • Gesellschaftslehre / Gemeinschaftskunde / Politikunterricht / Sozialkunde

Doch wer bestimmt, was Schüler lernen müssen, und was nicht? Was tatsächlich in den schulischen Bildungskanon gehört, ist von Ansicht zu Ansicht unterschiedlich und hat sich im Laufe der Zeit auch verändert. Die Grundaussage des schulischen Bildungskanons besteht jedoch darin, dass dieser einerseits zu lebenslangem Lernen motivieren soll und andererseits die nötigen Grundlagen und Instrumente vermitteln soll, die zur Wissensaneignung und zum Kompetenzerwerb von Nöten sind.

Die Debatte darüber, was im 21. Jahrhundert auf einen Lehrplan gehört, hört nicht auf. Diskutiert wird zum Beispiel darüber, welche Bedeutung Fächer wie Philosophie oder Ökonomie in der Schule haben sollten.
Und auch die Entwicklungen im Bereich Multimedia sind für „Digital Natives“ in der Schule nicht auszuschließen. So gibt es einen breiten Konsens darüber, dass die drei Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen, die in der [intlink id=“1825″ type=“post“]Grundschule[/intlink] unterrichtet werden, demnächst um die Kulturtechnik des[intlink id=“1422″ type=“post“] Umgang mit dem Computer[/intlink] ergänzt werden soll.

Der Bildungskanon der Populärkultur

Als Bildungskanon der Populärkultur könnte man sozusagen die „must knows“ einer Gesellschaft bezeichnen. Was gehört zur Allgemeinbildung? Welche Bücher sollte man gelesen haben? Welche Musik sollte man kennen? Welche Filme gesehen haben? Die Liste könnte endlos sein. Und immer wieder geben Verlage, die Presse oder auch Institutionen ihre eigenen Listen mit den Titeln oder Fakten heraus, die sie für wissenswert erachten. Dabei variieren diese Listen und Kanons so stark voneinander, dass sie eher für Verwirrung sorgen als eine wirkliche Orientierung zu bieten. Teilweise gehen die Listen dabei auf Verkaufszahlen, auf schulische Lehrpläne oder auch einfach nur auf die Meinung von Experten zurück.

Kanon der täglichen Meinungsagenda?

Eine andere Erhebungsmethode, die sich mehr an der allgemeinen Meinung in der Bevölkerung orientiert, stellt im Gegensatz dazu die Allensbacher Markt- und Werbeträger-Analyse dar. In repräsentativen Befragungen untersucht die Studie Konsumgewohnheiten und Mediennutzung der Bevölkerung.

So wurde 2010 beispielsweise festgestellt, dass die Zahl der Menschen, die sich im Internet über Themen informiert, seit 2002 stetig ansteigt. Dies gilt besonders für die jüngere Generation. Und auch die Interessensbereiche der unter 30-Jährigen verändern sich. So steht in dieser Altersklasse ein geringeres Interesse an Politik, Wirtschaft und Umweltschutz, einem gestiegenen Interesse an Kommunikationstechnologie und Konsum entgegen.

Der klassische Bildungskanon verliert anscheinend an Bedeutung, während Wissen, welches unmittelbare Auswirkungen auf den Alltag hat, immer wichtiger zu werden scheint. Ob diese Tendenz weiter bestehen bleibt, wird sich in der Zukunft herausstellen.

Autor/in: Miriam Bax
Veröffentlicht am 3. Februar 2011

Tags: , , ,