Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht – Das Gugelhupf-Prinzip

Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht – Das Gugelhupf-Prinzip

1. Die Vorbereitung

Bei Deiner wissenschaftlichen Arbeit solltest Du hinreichend Zeit für d ie Vorbereitung einplanen, z. B. für die Suche nach einem geeigneten Thema / einer unbeantworteten Forschungsfrage oder für die Recherche hochwertiger Literatur. Andernfalls verpasst Du die Gelegenheit, DAS zu präzisieren, worum es in Deiner Arbeit tatsächlich gehen soll (= Forschungsfrage; Thema). Also: Bereits am Anfang keine wertvolle Zeit vertrödeln, die später fehlen wird!

2. Die Suche nach dem richtigen Rezept

Welches Thema soll’s denn sein? Welche Forschungsfrage? Vor allem mit der Beantwortung dieser beiden Fragen musst Du Dich lange und intensiv beschäftigen; denn wer keine konkrete Vorstellung davon hat, was er tatsächlich erforschen will, dem fehlen auch Ziel und Antrieb. In einer wissenschaftlichen Arbeit ist die Forschungsfrage also die Hefe: das (Back-)Treibmittel. Frag Dich zu Beginn Deines wissenschaftlichen Projekts immer wieder: „Welche Forschungsfrage bewegt mich wirklich? Was will ich mit meiner wissenschaftlichen Arbeit erreichen?“ Diese Fragen lassen sich aber nur dann beantworten, wenn Du Dich umfassend in ein Themengebiet eingelesen hast, Du also weißt, womit sich die sog. Scientific community beschäftigt (hat).

 

3. Die Auswahl der Zutaten

Für eine gute wissenschaftliche Arbeit benötigt man vor allem eines: Substanz! Oder anders formuliert: hochwertige Information, die Du insbesondere in Fachzeitschriften (Journals) findest. Wer minderwertige Literatur oder zu wenige Quellen verarbeitet, kann nicht oder nur wenig fundiert argumentieren! Auch das Alter der Quellen ist bedeutsam; wegen der Halbwertszeit des Wissens und der Schnelllebigkeit mancher Themen ist es i.d.R. unabdingbar, neue Erkenntnisse aus aktuellen Journals zu verarbeiten. Übrigens hängt die Qualität einer Arbeit nicht nur von der verwendeten Literatur ab: Wir wäre es bspw. mit einer Primärstudie (z. B. Befragung) oder mit einer Analyse vorhandener Daten (z.B. vom Statistischen Bundesamt)? Auch damit kannst Du beim Korrektor punkten!

4. Zusammengeben der Zutaten

Wie soll denn eine Arbeit gelingen, wenn man „alles schnell mal in den Text reinkippt“? Statt „schnell rein damit“ musst Du in Deiner wissenschaftlichen Arbeit strukturiert vorgehen – indem Du ihr einen stringenten (i.d.R. entscheidungslogischen) Aufbau verleihst. Eine entscheidungslogisch aufgebaute und damit tragfähige Gliederung zu entwerfen ist ein ganz wesentlicher Teil, dem Du viel Zeit und Sorgfalt schenken solltest. Jeder Text hat

  • eine äußere Hülle (= die Gliederung), ohne die das Werk eine ungeordnete Menge von Gedanken bleibt, und
  • eine innere Struktur (= der eigentliche Text).

Beides musst Du – Schritt für Schritt (!) – herausarbeiten.

5. Der Traum von der tollen Idee

Freudentränen beim Korrektor? Das wäre schön! Eine feine Arbeit wird Dir aber nur dann gelingen, wenn Du Dich mit Thema und Text intensiv beschäftigst. Wirf Deinen Lesern keine unverdauten Brocken vor, die Du in der Literatur gefunden hast. Es genügt auf keinen Fall, Zitat um Zitat aneinanderzureihen. Entscheidend ist vielmehr, was Du daraus machst, d. h. WIE Du mit Deinen Zutaten umgehst (z. B. Art der Argumentation, Kritik usw.). Du darfst – nein: Du musst – in einer wissenschaftlichen Arbeit argumentieren und die in der Literatur gefundenen Aussagen „auseinandernehmen“. DU bist gefordert, Dich mit Deinem Thema eingehend auseinanderzusetzen, Lösungen zu erarbeiten, Konsequenzen abzuleiten, Statements zu begründen, Probleme aufzudecken und und und. Kurzum: Mach aus den Literaturbrocken Feinstaub!

6. Das Verrühren der Zutaten

Du musst in Deiner wissenschaftlichen Arbeit nicht – wie „anno dazumal“ – mit dem Kochlöffel arbeiten. Moderne Hilfsmittel (z.B. PC, Internet) sind selbstverständlich auch und gerade in der Wissenschaft erlaubt. Allerdings kommt es immer darauf an, WIE Du diese Instrumente einsetzt; es versteht sich bspw. von selbst, dass Du auch all jene Quellen zitieren musst, die Du im Internet aufgestöbert hast.

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Und bitte: Nicht zuviel Salz verwenden! Praxisbeispiele, d. h. konkrete Fälle und Ereignisse, die sich in der Realität (z. B. in Unternehmen, bei Konsumenten, in der Politik) zugetragen haben, sind zwar das „Salz in der Suppe“ vieler wissenschaftlicher Arbeiten – aber eben nur das Salz. Zu viel davon verdirbt den guten Geschmack: Auch mit noch so vielen Beispielen kannst Du letztlich nichts beweisen. Grundsätzlich gilt: Zunächst ein theoretisches Fundament schaffen und erst dann – quasi zur Illustration – reale Beispiele finden, die Deine Darstellung greifbar machen.

7. Den Teig in die Form gießen

Wer eine wissenschaftliche Arbeit schreibt, muss sich an Formvorschriften (z. B. Korrekturrand, Seitenränder, Zitierweise, Gestaltung der einzelnen Seiten) halten; denn diese Regeln haben äußerst wichtige Funktionen. Beispielsweise dient der Seitenrand dazu, Korrekturen anzubringen. Auch Abbildungen und Tabellen sollten einer gewissen Form entsprechen: Sie

  • fassen das Gesagte zusammen,
  • eignen sich zur Darstellung komplexer Zusammenhänge,
  • sind „Eye-catcher“, die den Leser neugierig machen.

Du siehst: Auch – und gerade – in wissenschaftlichen Arbeiten haben Grafiken bedeutsame Aufgaben.

8. Den Kuchen backen

Wegen mangelhaften Zeitmanagements hast Du am Ende keine Gelegenheit, die Arbeit ein paar Tage ruhen zu lassen bzw. Freunden und Bekannten zu geben, die einen kritischen Blick darauf werfen könnten. Außerdem vergrößert Zeitmangel Druck und Schlafdefizit; eine der Konsequenzen: Flüchtigkeitsfehler aufgrund von ungenügender Konzentration. Übrigens: Es bringt gewöhnlich auch nichts, die „Backzeit“ zu überschreiten; denn wer zu lange an seiner Arbeit „herumdoktert“, läuft vielmehr Gefahr, sie zu „verschlimmbessern“. Der Satz „Viel hilft viel.“ trifft nicht immer zu.

9. Das vollendete Backwerk

Welch ein Moment, wenn der Kuchen fertig ist und auf den Tisch kommt. Dafür hat sich die Mühe gelohnt! Und die Moral von der Geschicht’: „Schlechten Kuchen will man nicht!“ Wer in seinem Leben mehr erreichen will als nur einen „Dunklen Zwerg-Gugelhupf“ sollte folglich einige Fehler vermeiden. Eine gute wissenschaftliche Arbeit schreibt man nicht „mal eben so“. Dafür benötigt man hinreichend Zeit und – ja, auch das: viel Liebe; wie beim Backen eines Gugelhupfs eben. Dann entsteht ein Werk, das auch dem Gutachter schmeckt. Wie ein Gugelhupf!

(© Haupt Verlag, Bern; Zeichnungen: Alex Knüttel)

Autor/in: Prof. Dr. Martin Kornmeier
Veröffentlicht am 24. April 2012

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