Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht – Das Gugelhupf-Prinzip

Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht – Das Gugelhupf-Prinzip

Die wissenschaftliche Arbeit erscheint oft wie eine unüberwindbare Hürde. Dabei ist wissenschaftlich schreiben ganz einfach – jedenfalls fast so einfach wie einen schmackhaften Kuchen zu backen.

Das glauben Sie nicht? Dann lesen Sie das „Drama mit dem Gugelhupf“, die Ultra-Kurz-Fassung von „Wissenschaftlich schreiben leicht gemacht“, dem Bestseller von Prof. Dr. Martin Kornmeier.

Backdrama 1. Akt: Die Vorbereitung

Stellen Sie sich vor, Sie studieren „Bäckereiwesen“ und sollen eine Bachelorarbeit schreiben – Thema: „Backen Sie einen Gugelhupf “. Ihre Bearbeitungszeit beträgt drei Stunden; Sie gehen nach Hause und denken sich „Klar, Gugelhupf! Kein Thema! Kenn ich! Da gibt’s im Internet bestimmt „echt geile“ Rezepte. Und Zutaten hab ich ja auch zu Hause.“

Nach so viel Nachdenken setzen Sie sich erst einmal zehn Minuten aufs Sofa, um sich entspannt zurückzulehnen: „Gott sei Dank! Gugelhupf backen als Thema der Bachelorarbeit – und nicht etwa Berliner, Amerikaner, Kipferl oder ähnlich Kompliziertes. Hätte sonst echt voll schwierig werden können. Aber so! Wird echt voll easy!“ Nach zwanzig Minuten – Sie waren dann doch mal kurz eingenickt, was aber nicht weiter schlimm ist (geht ja dann doch alles ziemlich fix) – setzen Sie sich an Ihren Computer, um im Internet nach einem Rezept zu surfen.

Backdrama 2. Akt: Die Suche nach dem richtigen Rezept

Sie staunen nicht schlecht, als Sie feststellen, dass es nicht nur EIN Gugelhupfrezept gibt, sondern Hunderte! So finden Sie neben dem Elsässer Original u. a. das von der „Uroma überlieferte Rezept“ sowie den „Gugelhupf nach Großmutters Art“. Bereits Mozart scheint ein einzigartiges Rezept entwickelt zu haben; jedenfalls bietet man Ihnen das Rezept für einen „Mozart-Gugelhupf “ an. Neben Rezepten für Mohren- und Möhren-Gugelhupf stoßen Sie auf den Advent- und den Dominostein- Gugelhupf, der „schön weihnachtlich“ schmeckt. Wie wär’s mit einem Eierlikör-Gugelhupf – gerne auch in der Eierlikör-Mandel- oder Eierlikör- Schoko-Variante? Stutzig macht Sie der gerollte Quarkteig-Gugelhupf mit saftigem Teig und „variabler Füllung“ (ohne Ei!). Schließlich finden sich unter den Internetleckereien auch zahlreiche „deftige Gugelhupfs“:

  • Glühwein-Gugelhupf,
  • Pizza-Gugelhupf,
  • Gugelhupf mit Bier,
  • Schinken-Gugelhupf (zu Wein),
  • Brez’n Gugelhupf.

Dann vielleicht doch lieber die „Lightversion vom Gugelhupf “? Kein Problem – alles da.

Nach kurzem Überlegen – die Zeit läuft – entscheiden Sie sich ganz spontan für den Klassiker. Der Betreuer hat ja nix von einer „Spezialversion“ erzählt. Und außerdem: Wenn schon all die Bäcker dieser Welt sich nicht einigen können, wie ein echter Gugelhupf aussehen und schmecken muss, kommt’s wohl bei Ihnen als kleinem, unbedarftem Studenten des Bäckereiwesens schon gar nicht so genau drauf an, sich mit all den Varianten auseinanderzusetzen – so sinnvoll oder sinnlos all die Gugelhupfrezepte auch sein mögen.

Backdrama 3. Akt: Die Auswahl der Zutaten

Sie eilen zum Vorratsschrank, um die Zutaten zusammenzustellen. Wie war das noch gleich?

  • Ein Pfund Mehl? 500 Gramm – so viel!? Nun ja: 200 Gramm sind noch da. Muss reichen.
  • 1 Teelöffel Salz? Massig da. Passt.
  • ½ Pfund Butter. Butter? Nicht da; aber dafür hinreichend Margarine. Glück gehabt.
  • 6 Eier? Jawohl. Haltbarkeitsdatum abgelaufen? Wurscht. Merkt der Korrektor ohnehin nicht.
  • 100 g Zucker. Kandiszucker wird’s wohl auch tun. Sooo kleinlich wird der Betreuer der Bachelorarbeit ja wohl nicht sein.
  • 1/8 l Milch? Heute morgen den Rest getrunken, aber die kann man sich ja vom WG-Nachbarn „leihen“.
  • 35 g Hefe. Nicht da. Aber was sind schon 35 Gramm, da kann man mal locker drauf verzichten.
  • 60 g Rosinen? Nö, Weintrauben tun’s auch.
  • Etwas geriebene Zitronenschale? War da nicht noch irgendwo eine Mandarine von Weihnachten?
  • Mandeln? Fehlanzeige. Ist aber ohnehin nur Schnickschnack, den Kuchen zu verzieren.

In null Komma nix haben Sie alle Zutaten zusammengetragen – und atmen erst einmal tief durch. Die Zeit, die Sie durch das Einnicken auf dem Sofa verpennt haben, konnten Sie durch das Internet zumindest teilweise wettmachen. Und die Zutaten haben Sie ja auch alle parat. Logo!

Backdrama 4. Akt: Zusammengeben der Zutaten

So. Nun aber nix wie ran an die Buletten. Der Kuchen sollte nämlich möglichst ein bisschen früher fertig werden; denn schließlich wollen Sie heute mit Kommilitonen schon mal auf den zukünftigen Bachelor anstoßen. Und mit dickem Kopf backt’s sich schlecht.

Sie hauen also erst einmal alle Zutaten in die Schüssel. Zwar steht auf dem Rezept, dass es wichtig sei, Zucker, Mehl und Eier abwechselnd und unter ständigem Rühren unter die Butter zu geben; aber zum einen haben Sie’s eilig, zum anderen – so besagt ein altes Sprichwort – kommt im Magen ja sowieso alles zusammen. …

Backdrama 5. Akt: Der Traum von der tollen Idee

… Und außerdem: Wichtig ist, wie der Kuchen am Schluss aussieht – und da haben Sie schon eine echt total tolle Idee, mit der Sie Ihren Betreuer echt voll total überraschen werden! Der kann dann einfach nur ’ne echt total gute Note drauf geben, es sei denn, der hat keine Ahnung von Desktop-Publishing – sorry: von modernem Kuchendesign.

Backdrama 6. Akt: Das Verrühren der Zutaten

Das Rühren des Teigs macht Ihnen dann doch etwas Mühe, da Sie keinen elektrischen Rührbesen besitzen. Um beim Verrühren mit dem Kochlöffel nicht allzu sehr ins Schwitzen zu geraten, brechen Sie den „Prozess“ nach gut einer Minute ab, da dann alles schon „ziemlich gut vermischt aussieht“. Nun geben Sie noch eine gehörige Portion Salz hinzu. War zwar nicht erforderlich, haben Sie aber hinreichend im Vorratsschrank. Warum also nicht!?

Backdrama 7. Akt: Den Teig in die Form gießen

Damit der Gugelhupf auch als solcher erkennbar ist, sollte er (eigentlich) in einer typischen, hohen Kranzform (aus Metall oder Keramik mit einem „Kamin“ in

der Mitte) gebacken werden; diese ähnelt der klassischen Puddingform und lässt den Teig gleichmäßig garen. Da Sie eine solche Form nicht besitzen („Ist voll teuer!“) und Ihren Betreuer ja ohnehin mit einem speziellen Äußeren überraschen wollen, beschließen Sie, einen Kontrapunkt zu setzen: Sie nehmen die Kastenform, die Ihnen Ihre Mutter zu Studienbeginn aus dem Altbestand überlassen hat. Das wird den Korrektor aber überraschen! Der vermutet bestimmt, dass Sie damit was ganz Besonderes ausdrücken wollen.

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So. Nun den Gugelhupf noch kurz gehen lassen. Da Sie sich beim „Erstellen“ des Kuchens in der Zeit verschätzt haben, müssen 45 Minuten, in denen der Kuchen gehen kann, einfach reichen. Das Werk muss auf jeden Fall pünktlich fertig werden … Bachelor-Vorfeiern steht ja heute noch auf dem Programm! Dass Sie gar keine passende Form haben, erkennt der im Leben nicht.

Backdrama 8. Akt: Den Kuchen backen

Nach einer Dreiviertelstunde hat sich der Kuchen keinen Millimeter nach oben bewegt (wie auch – ohne Hefe!), weshalb Sie beschließen, Trick 17 anzuwenden: Sie lassen den Kuchen einfach etwas länger backen und drehen die Backtemperatur hoch! Die Hitze wird dem guten Stück schon Beine machen (he, he!). Als der Gugelhupf nach der vorgesehenen Backdauer noch immer nicht gegangen ist, werden Sie langsam unruhig und rufen – selbstverständlich rein prophylaktisch – Ihren Betreuer an: Er soll sich keine Sorgen machen. Sie haben alles im Griff – Sie wollen den Kuchen einfach etwas länger backen lassen, weil eben … künstlerische Freiheit. 15 Minuten später als ursprünglich vorgesehen holen Sie Ihr Meisterstück aus dem Ofen, aus dem es bereits gewaltig raucht. Allerdings hat die extra Hitze – das erkennen Sie auf den ersten Blick – nicht zu dem erhofften Resultat geführt. Angesichts der zahlreichen verkohlten Stellen beschließen Sie, den Titel Ihrer Arbeit leicht zu modifizieren: Sie verkaufen ihn einfach als „Dunklen Zwerg-Gugelhupf: Backresultat unter besonderer Berücksichtigung zusätzlicher Hitzezufuhr“.

Backdrama 9. Akt: Das vollendete Backwerk

Glücklich reichen Sie Ihr Werk nach drei Stunden und 15 Minuten bei Ihrem Betreuer ein. Dieser reibt sich verwundert die Augen, flucht (weil er sich an dem noch heißen Kuchen die Finger verbrennt), schneidet auf, probiert – und lässt Sie durchfallen. Die ganze Mühe – umsonst.

 

Was war schief gelaufen? Jetzt weiterlesen mit Martin Kornmeiers Anleitung zum richtigen wissenschaftlichen Schreiben…

 

Autor/in: Prof. Dr. Martin Kornmeier
Veröffentlicht am 24. April 2012

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