Interview: Probleme im Studium – wer hilft?

Interview: Probleme im Studium – wer hilft?

Prüfungsangst, Überforderung, kein Geld für die Studiengebühren – solche Probleme können im Studium jeden treffen. Im bildungsXperten-Interview erklärt Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, wo Studenten Beratung und Hilfe finden.

bildungsXperten: Herr Meyer auf der Heyde, Sie sind Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, das unter anderem Beratungsangebote an Hochschulen anbietet. Bitte stellen Sie sich und das Deutsche Studentenwerk kurz vor.

Achim Meyer auf der Heyde

Achim Meyer auf der Heyde (Foto: Kay Herschelmann)

Achim Meyer auf der Heyde: Lassen Sie mich eines kurz erläutern: Nicht wir als Deutsches Studentenwerk bieten den Studierenden Beratung, sondern die 58 Studentenwerke, die es in Deutschland gibt, und die sich als hochschulunabhängige Institutionen um die sozialen und wirtschaftlichen Belange der 2,2 Millionen Studierenden kümmern – mit Mensen und Cafeterien, Wohnheimen, dem BAföG, Kinderbetreuung, psychologischer Beratung, Sozialberatung, Studienfinanzierungsberatung – und vielen Kulturangeboten. Das Deutsche Studentenwerk ist der Bundesverband der Studentenwerke; wir vertreten auf der politischen Bühne die Studentenwerke und die sozialen Interessen der Studierenden.

bildungsXperten: Welche Beratungsangebote stellen denn die Studentenwerke? Gibt es diese eigentlich an jeder Uni?

Achim Meyer auf der Heyde: Es gibt an so gut wie jeder Hochschule Beratungsstellen für studienbegleitende, nicht-fachbezogene Beratung; manchmal bieten das die Hochschulen an, oft jedoch die Studentenwerke. 42 Studentenwerke haben psychologische Beratungsstellen; 43 haben Sozialberatungsstellen. Beratung für Studierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit bieten 38 Studentenwerke an. Die Studentenwerke Berlin und Oldenburg sowie das Akademische Förderungswerk in Bochum haben eigene Beratungsstellen für Studierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit.

bildungsXperten: Mit welchen Problemen kann man sich als Studierender an die Beratungsstellen des Deutschen Studentenwerks wenden? Was ist der häufigste Grund, warum Studierende eine Beratungsstelle aufsuchen?

Achim Meyer auf der Heyde: Die häufigsten Themen in der psychologischen Beratung sind: Lern- und Arbeitsstörungen, Leistungsprobleme, Arbeitsorganisation und Zeitmanagement, Prüfungsangst, depressive Verstimmungen, Identitäts- und Selbstwertprobleme.
Die häufigsten Themen in der Sozialberatung sind: Jobben neben dem Studium, Studienfinanzierung, Krankenversicherung, Wohngeld und Rundfunkgebührenbefreiung. Besonderen Beratungsbedarf haben studierende Eltern, vor allem Alleinerziehende, sowie ausländische Studierende.

bildungsXperten: Wie viele Studierende nehmen diese Beratungsangebote in Anspruch?

Achim Meyer auf der Heyde: Wir haben im Jahr 2009 rund 82.600 Beratungskontakte in den 42 psychologischen Beratungsstellen der Studentenwerke gezählt. Mehr als 23.000 Studierende ließen sich beraten, 3.500 Studierende nahmen an Gruppenangeboten teil. In den 43 Sozialberatungsstellen der Studentenwerke wurden 69.600 Einzelgespräche gezählt; an Gruppenangeboten nahmen rund 3.500 Studierende teil.

bildungsXperten: Hat sich diese Zahl seit Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge oder Einführung der Studiengebühren verändert? Wenn ja, was halten Sie für die Gründe?

Achim Meyer auf der Heyde: Wir haben einen deutlichen Anstieg der Beratungsnachfrage in den Jahren 2007/2008 festgestellt, was psychologische und Sozial-Beratung angeht. Danach hat sich das auf hohem Niveau eingependelt. Top-Thema in der Sozialberatung ist und bleibt die Studienfinanzierung; zu diesem Thema haben die Studierenden auch den höchsten Beratungsbedarf, wie unsere aktuelle Sozialerhebung zur wirtschaftlichen und sozialen Lage der Studierenden ergeben hat. Die Einführung der Studiengebühren ging einher mit neuen Studienkrediten; ganz allgemein wurde die Studienfinanzierung unübersichtlicher, komplexer. Die Studentenwerke haben darauf reagiert und ihre Studienfinanzierungsberatung massiv ausgebaut.
Wir stellen erfreut fest, dass die Studierenden die Beratungsangebote der Studentenwerke sehr selbstverständlich in Anspruch nehmen, und viele Studentenwerke bieten über die Beratungsstellen inzwischen auch viele ‚allgemeine‘ Kurse und Workshops an, etwa Coachings und Trainings zum Zeit- und Stressmanagement, zum Umgang mit vielen Prüfungen, zum wissenschaftlichen oder kreativen Schreiben. Sie können beim Studentenwerke Salsa tanzen lernen, Videoslam üben oder schauspielern.

bildungsXperten: Immer häufiger hört man davon, dass bereits Studenten von Burn-out betroffen sind. Machen Sie in den Beratungsstellen der Studentenwerke ebenfalls diese Erfahrungen?

Achim Meyer auf der Heyde: Ja, es gab durchaus Fälle von Burn-out bei Studierenden in unseren psychologischen Beratungsstellen. Aber ich betone: Gerade mit der Hilfe unserer Psychologinnen und Psychologen kamen die betroffenen Studierenden da auch wieder raus. Von einem Massenphänomen kann man nicht sprechen, aber ich würde das Thema dennoch nicht bagatellisieren: Die Studierenden stehen heute unter einem hohen Leistungsdruck und unter einem hohen gesellschaftlichen Erwartungsdruck. Sie haben die Anforderungen teilweise vollständig internalisiert, in jedem Fall schnell, erfolgreich zu studieren, Praktika und Auslandserfahrungen anhäufen und einen tollen Job kriegen zu müssen.  Scheitern ist da nicht vorgesehen; teilweise, berichten unsere Psychologen, überfordern sich die Studierenden selbst.

bildungsXperten: Was kann man tun, wenn man sich während des Studiums überfordert fühlt?

Achim Meyer auf der Heyde: Gehen Sie zu Ihrem Studentenwerk, in die psychologische oder in die Sozialberatung. Nehmen Sie das Gefühl ernst, sprechen Sie mit den Studentenwerks-Profis darüber. Handeln Sie.

bildungsXperten: Welche Entwicklungen erwarten Sie für die nächsten Jahre? Welche „Probleme“ bringt die stetig steigende Zahl der Studenten mit sich?

Achim Meyer auf der Heyde: Ich erwarte, dass die soziale Infrastruktur des Studiums genauso durch Bund und Länder ebenso ausgebaut wird wie die Zahl der Studienplätze, die Bund und Länder über die Hochschulpakte schaffen.

Die vielen zusätzlichen Studierenden, die in den kommenden Jahren auf das deutsche Hochschulsystem zukommen, sind eine Riesenchance für uns. Aber: Sie brauchen nicht nur Studienplätze, sondern auch ein Dach über dem Kopf. Sie brauchen gute, campusnahe Verpflegung, Beratung, eine solide Studienfinanzierung, vielleicht auch Kinderbetreuung. Die Studentenwerke leisten all das, kriegen aber bisher von den Ländern keinen Cent zusätzlich. Im Gegenteil: Die Zuschüsse der Länder machen nur noch 11% der Einnahmen der Studentenwerke aus. Das muss sich ändern.

bildungsXperten: Eine abschließende Frage in eigener Sache: Wie gefällt Ihnen das Konzept von bildungsXperten.net?

Achim Meyer auf der Heyde: Eine Art Meta-Plattform, die die Webangebote anderer zusammenführt und das Thema Bildung von der Berufs- über die Hochschul- bis zur Weiterbildung aufgreift – eine gute Idee, allerdings aber auch ein ambitioniertes Vorhaben in einer an Web-Plattformen reichen Zeit.

Das Interview führte Sarah Dreyer

Autor/in: Deutsches Studentenwerk
Veröffentlicht am 14. April 2011

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