Interview: Die Weiterbildung zum Industriemeister

Interview: Die Weiterbildung zum Industriemeister

Die Weiterbildung zum Industriemeister ist sehr gefragt und das zurecht: Oft öffnet sie Absolventen die Tür zu Führungsaufgaben und einer verantwortungsvollen Position im Unternehmen. André Buttler, pädagogischer Leiter und Dozent für Industriemeister-Lehrgänge beim BCW BildungsCentrum der Wirtschaft, sprach mit bildungsXperten über seine Tätigkeit und die Weiterbildung zum Industriemeister im allgemeinen.

Herr Buttler, Sie sind pädagogischer Leiter und Dozent für die Industriemeister-Lehrgänge in Elektrotechnik, Metall- und Elektrotechnik sowie Chemie. Können Sie uns kurz erläutern, wie Sie zu dieser Tätigkeit gekommen sind und wie Ihr Werdegang ist?

Als gelernter Energieanlagenelektroniker habe ich einige Jahre im Bereich der Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik gearbeitet, bevor ich mein Studium der Elektrotechnik aufgenommen habe. In einem Großunternehmen der Industrie habe ich anschließend langjährig im Bereich Aus- und Weiterbildung, zuletzt als Leiter der Ausbildung, gearbeitet.

Dabei lernte ich während meiner Tätigkeit im Prüfungsausschuss Industriemeister Elektrotechnik den damaligen pädagogischen Leiter für die Industriemeisterausbildung kennen, der mich zuerst für die Vermittlung von messtechnischen Inhalten und später für weitere Themengebiete begeistern konnte. Als mein Vorgänger relativ kurzfristig erkrankte, habe ich seine Aufgaben übernommen. Seit 10 Jahren arbeite ich im Berufskolleg im Bereich Elektrotechnik und Informationstechnik als Lehrer.

Wie kann ich mir eine Unterrichtsstunde im Industriemeister-Lehrgang vorstellen?

Im Interview

André Buttler, pädagogischer Leiter und Dozent für Industriemeister-Lehrgänge beim BildungsCentrum der Wirtschaft (BCW)

Andre Buttler

Die Vermittlung von Themengebieten erfolgt grundsätzlich in Blöcken von 4 Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten, wobei nach 2 Unterrichtseinheiten eine Pause eingeplant ist. Der konkrete Ablauf eines Unterrichtsblocks ist je nach Themengebiet und nach Vermittlungsinhalt innerhalb des Themengebietes unterschiedlich. In der Regel wird der Dozent mit einem Problem aus der Praxis versuchen, das Interesse der Absolventen zu wecken. Die anschließende Analyse des Problems sowie die Methoden zur Lösung des Problems werden im Plenum sowie in Einzel- oder Gruppenarbeit mithilfe unterschiedlicher Medien erarbeitet. Der Transfer der Problemlösung auf andere Anwendungsgebiete, die Vertiefung durch Übungen sowie die Ergänzung und Nachbereitung durch Unterrichtsmaterialien, die z.B. Online bereitgestellt werden, runden den Unterrichtsblock ab.

Wie wird garantiert, dass in der Weiterbildung nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch praktische Kenntnisse vermittelt werden? Wie groß ist der Praxisanteil in der Weiterbildung?

Praktische Kenntnisse können durch Transfer des theoretischen Wissens auf aktuelle praktische Problemstellungen, praktische Übungen, Einbindung der Absolventen in den Unterricht, Gruppenarbeit, Präsentationen, Rollenspiele, zielgerichtete Betriebsbesichtigungen sowie durch Dozenten, die aktuelles Wissen des Themengebietes repräsentieren, vermittelt werden. Der Praxisanteil ist meiner Meinung nach schwer zu definieren und zu bestimmen.

Wer sich für eine Weiterbildung zum Industriemeister entscheidet, hat meist die Wahl zwischen Vollzeit-, Teilzeit- und Fernlehrgang. Sind aus Ihrer Sicht alle 3 Lehrgangsformen gleichermaßen geeignet, auf die abschließende IHK-Prüfung vorzubereiten?

Link-Tipp

Portal zum Industriemeister
www.industriemeister.info

Grundsätzlich sind meiner Meinung nach alle 3 Lehrgangsformen zur Vorbereitung auf die Industriemeisterprüfung geeignet, wobei jede Lehrgangsform Vor- und Nachteile hat. Als Vorteil der Tagesform sehe ich die kurze Lehrgangsdauer, das Lernen in der Gruppe und dass der Teilnehmer sich fast ausschließlich der Weiterbildung widmen kann. Wenn keine Freistellung für die Lehrgangsdauer vereinbart werden kann, sind die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Arbeitsplatzsuche zum Ende des Lehrganges notwendig. Im Teilzeitlehrgang bleibt das Arbeitsverhältnis erhalten: Während der Lehrgangsdauer bezieht der Absolvent sein Entgelt weiter und für das Ausgleichen von Defiziten besteht ein längerer Zeitraum. Allerdings stellt eine Lehrgangsdauer von 2 bzw. 2,5 Jahren eine hohe Anforderung an das Durchhaltevermögen der Teilnehmer verbunden mit Defiziten durch berufsbedingte Fehlzeiten und Belastungen durch die Berufstätigkeit. Für Fernlehrgänge spricht das orts- und zeitunabhängige Lernen, wobei hohe Anforderungen an die Eigenmotivation gestellt werden und der Austausch in einer Lerngruppe oft fehlt.

Aus welchen Teilnehmern setzen sich Ihre Lehrgängen zusammen? Welchen beruflichen Hintergrund haben sie?

Die Teilnehmer der Maßnahmen sind meist ausgebildete Fachkräfte aus dem berufsspezifischen Bereich aber auch ausgebildete Fachkräfte und angelernte Kräfte aus anderen Berufsbereichen sowie Studienabbrecher.

Welche Themen bereiten den zukünftigen Industriemeistern die größten Probleme und welche fallen ihnen besonders leicht?

Besonders leicht fallen den zukünftigen Meistern die Themengebiete, in denen sie im Berufsleben bereits Erfahrungen sammeln konnten bzw. die Themengebiete, die sich gut in die persönliche berufliche Praxis übertragen lassen. Dies sind meist fachliche Themengebiete. Probleme bereiten entsprechend Themengebiete, in denen keine oder wenig Erfahrung vorhanden ist und die Vertiefung im betrieblichen Umgang fehlt. Bei den Basisqualifikationen erfordern die Prüfungsgebiete Betriebswirtschaftliches Handeln und Berücksichtigung naturwissenschaftlicher und technischer Grundlagen für die Teilnehmer den größten Aufwand.

Englisch ist vor allem in der Wirtschaft eine wichtige Verkehrssprache. Welchen Stellenwert spielt sie in der Weiterbildung und auch später im Beruf des Industriemeisters?

In den Prüfungsordnungen wird Englisch nicht explizit erwähnt, jedoch spielt Englisch bei der Erarbeitung und Recherche der Inhalte definitiv eine Rolle, weil zumindest teilweise Fachbegriffe oder auch Zusammenhänge erst hierdurch erfassbar werden. Mit der zunehmenden Bedeutung des europäischen Binnenmarktes und der Kurzfristigkeit, mit der neue Informationen erfasst werden müssen, spielt Englisch meiner Meinung nach eine steigende Rolle im beruflichen Handeln des Industriemeisters.

Die Industriemeisterprofile wurden erst vor einigen Jahren auf die aktuellen Bedürfnisse des Berufsbildes zugeschnitten. Handelte es sich hierbei um eine gelungene Optimierung? Welche Zukunft sagen Sie dem Berufsbild Industriemeister voraus?

Meiner Meinung nach ist die Anpassung der Industriemeisterprofile an die Anforderungen der Industrie gelungen, wobei die breite Vielfalt der Einsatzbereiche natürlich eine Streuung in der Beurteilung hervorruft. Dem gestiegenen Bedarf an Führungs- und Organisationsaufgaben des Industriemeisters ist Rechnung getragen worden. Für das Berufsbild des Industriemeisters sehe ich gute Zukunftschancen.

Bei dem großen Weiterbildungsangebot kann es schwierig sein, den Überblick zu behalten. Ist die Weiterbildung zum Industriemeister als Aufstiegsfortbildung dennoch konkurrenzlos?

Für Facharbeiter, die in der Industrie Aufgaben übernehmen wollen, für die sie erweiterte fachliche-, organisatorische- und Führungskompetenz benötigen, ist die Industriemeisterausbildung aufgrund der Integration dieser Kompetenzbereiche weiterhin konkurrenzlos.

Was würden Sie zu guter Letzt den zukünftigen Industriemeistern mit auf den Weg geben, um den Lehrgang bestmöglich für sich zu nutzen?

Möglichst umfassende Informationsbeschaffung vor Beginn der Weiterbildung, Abklärung von notwendigen Freiräumen im privaten und beruflichen Umfeld sowie Klärung der Perspektive nach der Weiterbildung. Festlegung von festen Lernzeiten sowie Nutzung des Austausches in der Lerngruppe. Durchhalten bei Fehlschlägen.

Autor/in: Sarah Geißler
Veröffentlicht am 23. Oktober 2012

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